Noch nicht mal alleinerziehend
bist ja auch so beschäftigt im Moment«, antwortete er und lachte – diesmal über seine Spitze. »Sehr wahrscheinlich weißt du gerade gar nicht, wo dir der Kopf steht – bei all der Arbeit. Du Arme!«
»Ich wollte einfach einmal wissen, wie sich ein Künstler so fühlt. Deshalb lasse ich gerade mal alles laufen und warte auf die nächste Inspiration.« Die Wahrheit war, dass sie fast jeden Abend stundenlang mit Mariano telefoniert hatte. Bis auf Mittwoch. Da waren sie essen gegangen. Ins »Etrusca«, Nora’s Lieblingsrestaurant auf der Zülpicher Straße. Nach einem Absacker bei ihr im Viertel hatte er sie noch nach Hause gefahren. Es war kein langer Weg, aber sie hatten bestimmt noch eine Stunde im Auto gesessen und geknutscht. Mit zu ihr hoch durfte er nicht. Noch nicht. Nora hatte zwei eiserne Regeln für die Gestaltung ihres Liebeslebens. Erstens: Kein Sex beim ersten oder zweiten Date – vielleicht beim dritten. Zweitens: Nur Männer, in die Nora verliebt war, nahm sie mit zu sich nach Hause.
»Du hast doch bestimmt irgendetwas am Laufen und zierst dich wieder, es mir zu erzählen …«
Woher wusste er das? Unmöglich! Luna hatte geschworen, es niemanden zu erzählen, solange Nora sie regelmäßig mit allen Neuigkeiten versorgen würde.
»Kim, du wärst doch der Erste, dem ich so etwas erzählen würde. Das weißt du doch!«
»Ja, ja, wer’s glaubt … Sag mal, hast du Lust, heute Abend mit mir auf ein bis 20 Kölsch zu gehen?«
»Supergerne, aber morgen ist Samstag und ich bin schon letzte Woche voll verknittert bei meinen Eltern aufgelaufen. Morgen würde ich ganz gerne propper erscheinen.« Auch wenn Nora das tatsächlich vorhatte, der eigentliche Grund für ihre Absage war ein Date mit Mariano.
»Aber morgen Abend steht?!«
Stille.
»Nora?! Du hast es vergessen!«
»Was?«
»Morgen Abend, Essen bei uns?!«
Nora hatte es tatsächlich vergessen.
»Also, wenn ich dich nicht lieben würde …«
»Ja, ja, dann würdest du mich hassen.«
Kim atmete tief durch. »Ist ja auch egal. Wir fangen um 19:30 Uhr an. Für dich bedeutet das, um 19 Uhr bei uns, vielleicht schaffst du es ja dann, spätestens um acht da zu sein. Absagen und Entschuldigungen werden nicht mehr akzeptiert. Marie und ich freuen uns auf dich, die Kinder auch. Ach ja, Frauke und Sven und Daggi und Schorsch kommen auch – samt Anhang. Aber du bist ja hart im Nehmen. Bis morgen! Und wehe, du …«
Nora kicherte. Es war zu niedlich, wenn Kim seine strenge Seite aufzog, wohl wissend, dass er keinen Deut besser war als sie. »Ich werde da sein!«
Nora ging ins Schlafzimmer und zog sich an. Sie überlegte, was sie zu Mittag essen sollte: Currywurst? Pizza Service? Etwas vom Inder? Oder vielleicht mal das Haus verlassen und zu McDonald’s fahren? Nora öffnete die Tür zu ihrem Balkon. Es roch nach Frühling. Ihr Balkon erschien jedoch noch im Winterlook – alle Pflanzen waren tot. Selbst die Buchsbäume, die eigentlich ewiges Leben für sich gepachtet hatten. Aber Nora hatte wohl nicht daran gedacht, dass auch die im Winter wenigstens ab und an etwas zu trinken brauchten. »Dann könnte ich auch zum Pflanzengroßhandel …«, sagte sie gerade laut zu sich, als ihr Telefon erneut klingelte.
»Ich bin’s. Kiki.«
»Hey Kiki, alles klar?!«
»Geht so! Du, ich fall am besten gleich mit der Tür ins Haus. Du hast doch am Montag gesagt, dass ich mich melden soll, wenn ich Hilfe brauche. Weil du doch im Moment so viel Zeit hast.«
Nora erinnerte sich. Kiki hatte beim Gabriella-Termin von ihrem Leid geklagt. Ihr Mann Franz, ein Schriftsteller, lag mit Hexenschuss und völlig außer Gefecht gesetzt zu Hause auf der Couch, so dass sie sich momentan ganz alleine um die Zwillinge kümmern musste. »Was liegt an?«, fragte Nora.
»Also, heute am späten Nachmittag ist Babyschwimmen. Eigentlich wollte Daggi ja mitkommen. Aber sie ist mit dem Kleinen beim Arzt und hat abgesagt. Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll. Mit beiden alleine kann ich auf keinen Fall gehen. Aber es ist die erste Stunde, und verpassen will ich die auch nicht«, erklärte Kiki verzweifelt.
»Wann geht das denn los?«
»Um Viertel vor fünf.«
»Kein Problem. Ich bin dabei.«
»Du bist ein Schatz, Nora. Sei doch um Viertel nach vier bei mir. Das reicht dicke, wir müssen nur rüber ins Seniorenheim.«
»Ins Seniorenheim? Ich denke, wir gehen zum Babyschwimmen?!«
Kiki lachte. »Gehen wir ja auch, aber die machen das im Schwimmbad vom Seniorenheim.
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