Noch nicht mal alleinerziehend
nervöses Gefühl in die Gegend um ihren Solarplexus, das sie den ganzen Tag begleiten sollte. Bei ihren Eltern war sie nicht wirklich anwesend. Dabei hatten sich alle so viel Mühe gemacht. Ihre Mutter hatte ein großes Transparent im Wohnzimmer aufgehängt. In bunten Lettern stand da HAPPY BIRTHDAY, NORA ! Das ganze Wohnzimmer war mit Luftschlangen, Luftballons und Konfetti geschmückt – wie bei einem Kindergeburtstag. Nora liebte das. Ihre Mutter hatte unzählige mit Helium gefüllte Ballons in Grün und Blau – Noras Lieblingsfarben – gekauft, die jetzt lustig unter der Decke schwebten. Alles Gute! , Wir lieben Dich!, 37 und Nora war in goldener Schrift auf sie geschrieben. An Noras Stuhl hatte ihre Mutter einen roten Ballon in Herzform gebunden. Auf diesem stand: Nora, 25.04.1973, 08:01 Uhr . Mia, Marc und Jules hatten »Happy Birthday « auf Englisch für sie gesungen. Die ganze Familie hatte im Anschluss – wie Frauke und Kira am Morgen – »Schön, dass du geboren bist« angestimmt und Nora mit Konfetti und Luftschlangen beworfen. Alle strahlten sie an, als sie mit ihren Geschenken vor ihr standen. Jules hatte ein Bild gemalt, das Sophie mit Baby im Bauch, Charles, ihn und Nora vor einem Haus stehend zeigte. Darüber stand: Familie . Nora hätte schon wieder heulen können. Marc hatte ihr ein Vogelhaus für den Balkon gebastelt. »Hab ich in der Schule im Werken gemacht«, verkündete er stolz. Mina hatte Topflappen gehäkelt, die – weil gelb – zwar nicht schön waren, aber eben von ihr kamen und deshalb toll waren. Jo und Karin hatten ihr eine Dauerkarte für die Kölner Philharmonie geschenkt. Gut, sie wusste zwar nicht, wann sie das letzte Mal ein Konzert dort gesehen hatte, aber sie liebte klassische Musik. Und es war wirklich eine schöne Idee. Von ihren Eltern bekam Nora in einem riesigen antiken Rahmen eine alte Panoramazeichnung von Köln. »Das ist ein Erbstück, Nora. Die Zeichnung zeigt Köln 1667 und ist seit Achtzehnhundert-noch-was im Besitz meiner Familie«, erklärte ihre Mutter.
»Mutti hat ein paar von diesen Kostbarkeiten auf dem Dachboden gebunkert«, verriet Jo.
»Echt? Das wusste ich ja gar nicht. Wow!« Nora war begeistert. Das waren genau die kleinen, speziellen, aber wertvollen Dinge, die sie liebte.
»Und das hier ist auch von uns. Besser gesagt, deine Mutter hat es ausgesucht«, sagte ihr Vater.
»Nein, das ist von uns beiden!«, fiel diese ihm ins Wort.
»Ja, ja …«
Nora öffnete das Päckchen, welches schon in seiner Verpackung auf ein Buch hindeute. Es waren sogar zwei: »Simplify your life«, der Bestseller unter den Lebensratgebern, den Nora schon seit drei Jahren angelesen in ihrem Bücherregal verstaut hatte und »The Secret«. Auch dies nannte Nora schon ihr eigen. Aber weder Sportwagen, Haus am Meer, noch der große Reichtum hatten sich bisher eingestellt, obwohl Nora sich akribisch an die einzelnen Schritte gehalten hatte, um mit positiver Macht, Dankbarkeit und Urvertrauen ihre Gedanken in der Realität zu manifestieren. Aber es war gut gemeint! Ihre Eltern sorgten sich halt. Nora war heute milde gestimmt. Ansonsten wurde keines der verbotenen Themen angeschnitten. Das war an Geburtstagen immer so. Geburtstage waren Bestimmer-Tage. Von 00:00 Uhr bis 24:00 Uhr. Und jeder hatte alles zu tun, um das Geburtstagskind glücklich zu machen. Eine weitere Tradition im Hause Leinenmacher! Aufgrund des schönen Wetters hatte ihr Vater tatsächlich den Grill angeworfen und bereitete auf der Terrasse Steaks, Hühnerfilets, Würstchen, Gemüsefrikadellen und Tofuwürste zu. Die Kinder tobten im Garten und rannten um den Kirschbaum – so wie Jo, Nora und Sophie es vor vielen Jahren auch getan hatten. Auf der Terrasse war ein kleines Buffet angerichtet: Kartoffelsalat, italienischer Nudelsalat mit Walnüssen, ein großer griechischer Salat, Tomaten mit Mozzarella, zwei Quiches, eine mit, eine ohne Schinken, und eine Gemüsetortilla. Es gab, nach einer Flasche Champagner, Wein und Bier, für die Kinder einen selbstgemachten Eistee, für Sophie Apfelsaftschorle, Cola und Wasser.
Am Nachmittag überraschte ihre Mutter mit einer riesigen Eistorte, auf der Noras Name stand und die mit unzähligen Herzen aus weißer Schokolade verziert war. Warum machte Nora sich eigentlich Sorgen? Sie hatte eine Familie, in der sich tatsächlich alle liebten, sie hatte Freunde, die sie liebten, sie war nicht dumm, und hässlich war sie auch nicht. Und sie hatte diesen scharfen Argentinier
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