Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
anderen erstreckte sich die Herde, und während sie dem Dröhnen der Trommeln lauschte und die schweißgetränkten Kö r per mit Blicken verschlang, stellte sie sich vor, das Donnern der galo p pierenden Büffel ließ bereits die Erde erzittern.
Wie sehr wünschte sie sich, diesen Moment festhalten zu können. Sie wollte die Wärme des Feuers auf ihrer Haut spüren, dem Rhythmus der Trommeln lauschen und den Tänzern zusehen. Alles, was sie empfand, war der Frieden eines Menschen, der ungetrübte Zufriedenheit darüber empfand, wer er war und wo er war. Nicht einmal Noconas Narben, die ihr klargemacht hatten, dass Krieg und Schmerz nie weit entfernt waren, konnten in diesem Augenblick dieses Glück zerstören.
Als der Tanz endete, kam er wieder zu ihr. Die Muster auf seinem schweißglänzenden Körper waren verwischt. Er fiel neben ihr nieder, strich sich das feuchte Haar aus dem Gesicht und rang nach Atem. Schwer, stoßweise, wie Mahto es tat, wenn er Huka liebte. Seinem G e ruch entströmte pure Leidenschaft. Wie gern hätte sie noch einmal seine Haut berührt, um jeden Tropfen, jedes Rinnsal mit den Fingerspitzen aufzufangen. Sie stellte sich vor, wie sie sich nackt aneinanderpres s ten. Wie sie sich aneinander rieben, sich den Schweiß vom Körper lec k ten und ihre Seufzer tranken.
„Ist sie nicht wunderschön?“ Nocona deutete auf den Tanzplatz, wo die ledigen Mädchen um Aufmerksamkeit buhlten. Zuerst entflammte in Naduahs Eingeweiden ein heißes Feuer, doch dann entdeckte sie Kehala. Noconas Schwester.
„Ja. Sie ist die Schönste von allen.“
Die Ähnlichkeit der b eiden war verblüffend, wie sie wieder einmal b e merkte. Ihre Gesichter schienen von demselben Künstler mit der gle i chen Hingabe zur Anmut erschaffen worden zu sein. Etwas aber überl a gerte diese Schönheit. Das Gesicht des Mädchens war maskenhaft. Ernst und ohne jede Freude. Kein Lächeln zierte ihre Lippen, als ihre Freundin sie bei der Hand nahm und sich mit ihr im Kreis drehte.
„Was ist euch geschehen?“ Sie wagte es, Nocona anzublicken. Sein Körper bestand nur noch aus zitternden, bis zum Zerreißen angespan n ten Muskeln.
„Irgendwann erzähle ich es dir“, presste er hervor. „Aber du musst mir Zeit geben. Kannst du das?“
Sie nickte. Die Finsternis in seinen Augen verriet ihr genug. So nah beieinandersitzend, dass ihre Körper sich gegenseitig wärmten, verfol g ten sie den Tanz der Mädchen. Sie wünschte sich, dass dies der Beginn ihrer gemeinsamen Zukunft war. Vielleicht würde sie Nocona von nun an begleiten, in seiner Liebe wie in seinem Schmerz.
Etwas Seltsames sickerte kalt ihren Rücken hinab.
Der Blick ihres Wanderers war noch immer auf die Tanzenden geric h tete, doch jetzt glühte Abscheu in seinen Augen. Ein an Wahnsinn gre n zender Hass, der sie zurückschrecken ließ. Seine Hände ballten sich zu Fäu s ten, sein Körper war pure, bebende Anspannung.
Ein junger Mann war darum bemüht, Kehala zu umgarnen. Er schmiegte sich an sie, berührte ihr Haar und legte die Hand sanft auf ihre Hüfte. Das Mädchen strahlte die Panik eines in die Enge getriebenen Tieres aus. Sie versuchte, den Annäherungen auszuweichen, doch der unerfahrene Jüngling missverstand ihre Gesten als Aufforderung zum Spiel und setzte ihr noch leidenschaftlicher nach.
Alles, was Naduah sah, war ein losstürmender Schatten von u n menschlicher Schnelligkeit. Nocona sprang den jungen Mann an und riss ihn zu Boden.
„Fass sie nicht an! Lass deine dreckigen Finger von ihr, verstanden?“
Er schlug dem verblüfften Freier die Faust mitten ins Gesicht, packte ihn an der Kehle, schüttelte ihn wie einen Hasen und schnürte ihm mit beiden Händen die Luft ab. Arme und Beine des Mannes ruderten p a nisch herum, Hände zerrten an Noconas Schultern. Er würde ihn töten. Diese Gewissheit brannte sich kalt wie Eis in Naduahs Wahrnehmung.
„Auseinander!“
Mehrere Krieger schritten ein. Sie packten Nocona, zerrten ihn von dem röchelnden Mann fort und hielten ihn an Armen und Beinen fest. Seine Mordlust tobte ungemildert. Er wand sich wie eine Raubkatze in den Griffen der Krieger, die sichtlich Mühe hatten, ihn zu bändigen. Frauen scharten sich um den schockierten, blau angelaufenen Freier, während Kehala weinend die Flucht ergriff.
Sara, 2011
W
ieder zurück. Der Geruch der erwachenden Stadt. Falsch, störend. Verkehrslärm, Hupen, Schiffssirenen, Kräne, Trucks. Ein Geschwür erwachte zum Leben. Ein weiterer Tag auf
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