Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
der modernen Schnellstraße zw i schen Geburt und Tod.
Sie hatte geglaubt, ihr Leben in der fernen Zeit sei vollkommen gew e sen. Doch dem war nicht so. Noconas Narben führten es ihr vor Augen. Frieden war die trügerische Zeit zwischen zwei Kriegen, und Krieg wü r de es geben. Bald. Die Geschichte ließ sich nicht ändern, und das Ende der Nunumu war schon vor langer Zeit beschlossen wo r den.
Sara zwang ihren Geist zurück in den Traum. Sie wälzte sich mit wac h sender Verzweiflung hin und her, bis sie den Sog endlich wieder spürte. Zart und langsam wachsend, wie ein filigranes Wurzelgeflecht, von dem sie sich gern umschlingen ließ. Alltägliche Gedanken streiften ihr schwindendes Bewusstsein. In zwei Stunden musste sie auf Arbeit sein. Vorher duschen, Haare waschen, Wäsche sortieren, den Abwasch der letzten drei Tage erledigen.
Der Lärm der Stadt verblasste und wich kühler, reiner Frische. Err e gung lag in der Luft. Mannshohes Gras neigte sich, schwer vor Tau und funkelnd im ersten Sonnenlicht. Herbstwind zerzauste ihr Haar.
Die Große Jagd begann.
Naduah, 1844
W
ie aus dem Nichts tauchte er auf seinem grauen Hengst neben ihr auf . Das Fell eines riesigen Wolfes hing um Noconas Schultern, die zusammengebundenen Vo r derpfoten kreuzten sich auf seiner nackten Brust. Schwarze Farbe b e deckte die obere Hälfte seines G e sichts, was seinem Blick eine glühende Verwegenheit ve r lieh. Warum Schwarz? Es stand für Tod, Krieg oder Unglück und wurde selten während der Jagd getragen, es sei denn, j e mand forderte die Dämonen heraus. Naduah versuchte , beiseitezublicken, doch ebenso gut hätte sie mit auf den Rücken gebu n denen Armen gegen eine wilde Strömung käm p fen können .
Wie sie hatte Nocona allen Schmuck abgelegt. Wenn sie jagten, musste es lautlos geschehen. Nichts befand sich an ihren Körpern, was die F ä higkeit besaß, zu klappern, zu klimpern oder zu rascheln. Naduah trug aufgemalte Pfeilspitzen auf den Wangen , die Wachsamkeit und Wendi g keit symbolisier ten und runde Federn für Weisheit auf d en Armen. Sämtlichst in Rot, denn Rot bedeutete Erfolg und siegreiches Handeln. Ihr geflochtener Zopf war schwer von schillernden Federn. Siyos Fla n ken und Schultern zierten auf jeder Seite ein gelbes Sonnensymbol, auf ihrer Kruppe leuchtete eine Wolke und Regentropfen in Königsblau. Symbole für Glück und lebensspendende Kraft.
Noconas Hengst da gegen erzählte düsterere Geschichten. Rote Ha n d abdrücke, gestreifte Schlangen in rot und schwarz, ein Hagelsturm auf der Flanke. Siege in der Schlacht, Ruhm, Ehre und Tod.
„Saß dein Hemd gestern nicht weiter?“ Nocona zog eine Augenbraue hoch. Der Schalk kehrte in seine Augen zurück und milderte die Düste r nis, die ihn umgab. Naduah hätte sich gern auf diese vorgetäuschte Leichtigkeit eingelassen, doch sie spürte, dass die Dämonen in seinem Inneren nur schliefen. Wie Raubtiere in ihren Höhlen. Niemals wäre ihr in den Sinn gekommen, dass sie sich jemals vor ihm fürchten würde. Und doch war es gerade diese Furcht, diese finstere Ahnung von etwas Unberechenbarem, Zügellosem, die Nocona noch berauschender mac h te.
„Als ich gestern schlafen ging, sah es noch nicht so aus. Meine Mutter muss es enger genäht haben.“ Naduah zupfte an dem Hemd herum, das dank Hukas Hinterhältigkeit über ihren Brüsten spannte.
Nocona leckte sich die Lippen. Sein Blick, sein offensichtlicher Hu n ger, dieses wölfische Lächeln. Naduah wäre am liebsten davor geflohen. Nein, sie genoss es. Seine Musterung glich einer Berührung und ließ sie bereits die Stärke fühlen, die vielleicht … ja vielleicht … bald allein ihr gehören würde. Sich windend unter ihren Händen. Zitternd unter ihren Küssen.
„Deine Mutter nimmt in Kauf, dass alle Männer von den Bisons ze r stampft werden.“ Nocona blickte beiseite, doch sein Grinsen nahm an Zweideutigkeit zu. „Sie werden durch deinen Anblick ganz verrückt werden.“
„Lass das.“ Sie funkelte ihn kampflustig an. „Huka hat es heimlich g e ändert, ich kann nichts dafür.“
„Mir gefällt es.“ Wieder glitt sein Blick langsam von oben nach unten, was Naduah in eine solche Verwirrung stürzte, dass sie ihren Bogen nahm und das obere Ende in Noconas Rippen bohrte.
„Und was ist mit dir? Du bist unter diesem Pelz nackt.“
„Wie viele andere Männer auch. Aber ich würde dich nicht daran hi n dern, wenn du das gleiche tragen willst. Falls du möchtest, gebe ich dir
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