Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
doch die Landschaft ände r te, sobald man sie aus einem anderen Winkel b e trachtete. Die Sonne kletterte höher und überhauchte die dem Morge n frost entflohene Prärie mit blassem Licht. Tau klirrte auf den Grasähren. Mit hauchzarten G e räuschen zerbrachen die Halme unter den Hufen der Pferde. Ja, die Stille schenkte e i nem Antworten. Wenn er eines dank der Visionen begriffen hatte, dann die Lehre, dass sein Vater recht behielt. Der Tod bedeutete nicht das Ende. Es war ein Anfang. Ein neuer Weg, eine neue Chance.
Makah wollte nicht sehen, wie der Krieg über Noconas Leben kam und sein Volk zerstörte. Er wollte nicht sehen, wie ihm alles, was er lie b te, entrissen wurde. Aber jetzt, da er wusste, dass Liebe Zeit und Raum überwand, fühlte er sich stark genug dafür.
Er schloss die Augen, atmete tief ein und öffnete sie wieder. Das weite Land war Balsam für seine Seele . Und nicht nur für ihn, wie er an den verklärten Blicken seiner Schützlinge erkannte. Die sich dem Horizont öf f nende Erhabenheit stand über allem, selbst über der Zeit. Schneereste betupften die ockerfarbenen Hügel mit we i ßen Flecken und gleißten auf den fernen Bergspitzen. Dunkel ragten Eichen und Hickorybäume e m por. Das Plätschern kleiner Schmelzwa s serbäche, die von den Wichita Mountains herkamen und danach strebten, sich mit dem Fluss zu vere i nen, durc h drang die allgegenwärtige Stille.
Er erkannte diese Gegend wieder. Hier war er schon einmal entlanggereist, vor langer Zeit. Die Erinnerungen waren so deutlich, so lebendig, dass er erwartete, die Visionen würden ihn überwältigen. Doch alles, was kam, war Nostalgie und eine b ittersüße Melancholie.
Blicke prickelten in seinem Nacken. Er wandte sich um, erwiderte das Starren mit einem Zwinkern und sah, wie sich die Gesichter seiner wei b lichen Begleiter aufhellten. Ein Blitzen huschte durch ihre Augen. Abe n teuerlust und Lebensfreude. Plötzlich fühlte er sich alt, und dieser Ei n druck fühlte sich in keiner Weise negativ an. So musste es sein, wenn man erkannt hatte, wie flüchtig das Dasein war. Wie schnell Licht in Finsternis überging, ausgelöscht wurde und neu entstand. Wie viele L e ben er wohl schon hinter sich hatte? Zwei? Dutzende? Hunde r te?
Trivialere Gedanken drängelten sich kurzzeitig in den Vordergrund. Ob auch diesmal eine der Frauen mutig genug war, sein Einzelzelt ve r suchsweise in ein Zweier z elt umzuwandeln? Viktoria war es als Erste gelungen. Nach diesem Erlebnis war er nur noch einmal schwach g e worden, und das auch nur, weil er die Stärke des Glühweins unte r schätzt hatte. Diesmal, da war er sich vollkommen sicher, war er immun gegen jede Art von Verlockung. Denn Sara war in sein Leben getreten.
Oh ja, Sara …
So sehr er die Wanderritte auch liebte, diesmal hätte er am liebsten die Flinte ins Korn geworfen und wäre zu Hause geblieben, nur um diese Frau ein paar Tage früher wiederzusehen. Aber er würde den Teufel tun, Ross zu verärgern. Kein Job wurde besser bezahlt als dieser, was in erster Linie daran lag, dass jedes Jahr Teilnehmer früherer Wanderritte au f tauchten, die ausdrücklich nach seiner Begleitung verlangten. So etwas ging natü r lich runter wie Öl, auch wenn Makah stets bemüht war, sich in Besche i denheit zu üben.
Er leerte seinen Kopf, atmete die kühle, frische Luft ein und fokussie r te seine Gedanken auf Sara, was in kürzester Zeit dafür sorgte, dass er vor Verlangen am liebsten ins Gras gebissen hätte und sich eine gewisse Stelle seines Körpers anfühlte wie der Sattelknauf.
Berauscht von der Schönheit des Landes verfiel bald auch das not o rischste Plappermaul – und so eines befand sich grundsätzlich immer in seinen Gruppen – in eh r fürchtiges Schweigen. Die Zeit verging wie im Flug, während er seine Schüt z linge auf den Bergschatten zuführte.
Am Abend wählte er eine schöne Stelle am Ufer des Flusses aus, wies seine Begleiter an, ihre Zelte aufzubauen, und sorgte seinerseits für das Essen. Original indianischer Eintopf mit Bisonfleisch, über dem offenen Feuer gekocht . Nun ja, mehr oder weniger original. Still und heimlich schüttete er ein paar Brühwürfel hinein, was keinen großen Affront b e deutete, denn da Ross Bisonfleisch zu teuer war, gab er ihm stinknorm a les Rindfleisch mit.
Wie es nach dem ersten Tag des Wanderritts üblich war, fand keiner der Ausflügler die Kraft, längere Gespräche aufzubauen. Einerseits, weil man todmüde war, andererseits, weil
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