Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
gähnte. Er starrte eine Weile ins Leere, als müss t e er die Realität zuerst ordnen und in seine Wahrnehmung einfügen, dann musterte er sie. Durchdringend und fo r schend. „Was ist los, Sara?“
Sie schluckte, holte tief Luft und räusperte sich. „Du warst weg. Und du warst krank. Ich hätte Spiegeleier auf deiner Stirn braten können. Was ist passiert?“
Er starrte ins Leere. Erinnerte sich offenbar . Als sie seine Worte hörte, erreichten sie wie ein fernes Flü s tern ihr Ohr. Doch sie verstand genug. Ein Kampf, eine kurze, wilde Schlacht. Blut, das den Boden tränkte. Krieger, die wie Al b traumgestalten über A h nungslose herfielen und sie auslöschten. Aber ein Mädchen und seine Familie war en gerettet wo r den.
„Und dann?“ Makah endete ausgerechnet in jenem Moment, da sie gebannt über ihm kauerte und jedes Wort aufsaugte. „Was war dann? Du hast sie gerettet. Toll. Das hast du gut gemacht. Aber bist du wirklich mit ihnen gegangen?“
Er holte tief Luft, wie jemand, der sich auf etwas vorbereitete, von dem er wusste, dass sein Gegenüber es nicht hören wollte.
„Komm schon.“ Sie drückte abwechselnd ihre Hände in seinen Bauch, wie eine stampfende Katze. „Erzähl es mir. Mach schon. Ich will es wissen.“
„Ich reiste mit der Familie“, erzählte er endlich. „Ich begleitete sie viele Tage lang, aß mit ihnen, saß mit ihnen am Feuer und schlief sogar mit in ihrem Planwagen.“
„Ziemlich tolerant von ihnen. Ich meine, klar, du hast ihnen das Leben gerettet. Aber für diese Zeit war es was Besonderes.“
„Ich denke, es lag an Clara .“
„Das Mädchen, das du gerettet hast?“ Liebevoll kämmte sie mit ihren Fingern durch sein Haar und malte Bilder in ihrem Kopf, während er weiterredete. Ja, sie war stolz auf ihn. Damals wie heute.
„Sie hing wie eine Klette an mir“, sagte Makah. „Tagsüber wollte sie mit auf Cetan sitzen, nachts klammerte sie sich an mich und weinte, sobald ihr Vater versuchte, sie von mir wegzuziehen.“
„Ich kann ’ s verstehen. Sie hat sich Hals über Kopf in ihren Retter ve r liebt.“
„Es war keine Verliebtheit“, stritt er ab. „Sie hatte einfach nur Angst. Und sie dachte, nur ich könnte sie beschützen. Aber ich konnte sie nicht ewig begleiten. Ich musste zurück zu dir und Quanah.“
Sara biss sich auf die Unterlippe, denn ihr wurde seltsam zumute. Als würde jeden Moment ein Schatten auf sie fallen. „Was hast du getan?“
„Nichts. Ich hoffte, dass sie mit der Zeit stärker wird und über ihr E r lebnis hinwegkommt. Ich schnitzte ihr Pfeile und einen Bogen, brachte ihr bei, damit zu schießen, und zeigte ihr alles, wovon ich dachte, dass es sie stark macht. Ihr Vater war wenig begeistert, ihre Mutter dafür umso mehr. Aus der kleinen, verschüchterten Tochter wurde nach und nach eine echte Jägerin. So wie du eine bist. Warst.“
„Lass mich raten. Sie wurde noch viel anhänglicher?“
„Oh ja. Clara wurde praktisch mein Schatten. Ich glaube, ihr Vater hat schon Hochzeitsplanungen angestellt.“
„Siehst du. Sie war doch verliebt. Bis über beide Ohren. Immerhin hast du sie gerettet. Und du siehst gut aus.“ Gurrend rieb sie sich an ihm. „Nein, du siehst umwerfend aus.“
„Pfffff“, stieß Makah aus. „Wenn hier einer umwerfend ist, dann du, mein Kolibri.“
„Stell ’ s dir doch mal vor. Dir wird um ein Haar Schreckliches angetan. Du stirbst fast vor Angst. Plötzlich erscheint jemand wie du und prügelt die Übeltäter windelweich. Er rettet dich, beschützt dich, begleitet deine Familie aus reiner Großherzigkeit und bringt dir nebenbei alles bei, was du schon immer lernen wolltest, aber nie lernen durftest, weil du ein Mädchen bist. Ich bitte dich. Kein Wunder, dass du für sie der Schöpfer des Universums warst.“
Makah war für den Augenblick völlig humorresistent. Er starrte so lang stumm ins Leere, bis sie ihn aus seiner Lethargie herausschüttelte.
„Erzähl weiter. Mach schon. Wie ging es aus?“
„Ich habe ihr eine Geschichte erzählt“, brummte er. „Die Geschichte, wie die Büffel zu ihren Höckern kamen.“
„Schieß los.“
„Am Anfang der Zeit, noch bevor es Menschen gab, grasten nur wen i ge Bisons auf den Ebenen. Sie waren so gewaltig wie Berge, und aus ihrem Atem wurden Nebelbänke, die am Morgen über die Prärie trieben. Starb einer der Büffel, entstanden aus seinem Fleisch Felsen und aus seinen Knochen Bäume. Aber weil die riesigen Tiere glaubten, unbesie g bar zu sein
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