Nocona: Eine Liebe stärker als Raum und Zeit
Die Männer, die zielstrebig auf sie zuritten, wie Raubtiere, die sich ihrer Beute sicher wähnten, waren Esikwita. Ein Stamm der Apachen, Todfeinde bis aufs Blut seit langer Zeit.
Nocona gefror das Blut in den Adern. Wenn sie erkannten, wer er war, würde sein Schicksal aus dem grausamsten aller Tode bestehen. Ein gewöhnlicher Krieger musste den Hass der Apachen fürchten, doch ein Kriegshäuptling, ein Führer des feindlichen Stammes, würde jede Au s geburt ihrer grausamen Fantasien zu spüren bekommen, und zwar tag e lang.
Es war nicht einmal dieses Wissen, das ihn mit Schrecken erfüllte. Er war entschlossen, jedes Schicksal, dass ihm vorherbestimmt war, au f recht zu ertragen. Aber Quanah war zu alt, um seinen Willen neu zu formen und ihn zu einem Esikwita umzuerziehen. Was immer man ihm antun würde, seinem Sohn war dasselbe Schicksal bestimmt.
Sie würden ihn foltern und töten. Dass er noch ein Kind war, Monde davon entfernt, ein Mann zu sein, war einem seit Generationen in Hass brodelnden Geist gleichgültig.
Quanah wurde unruhig, als er den Schrecken in seinem Gesicht e r blickte.
„Reite so schnell du kannst.“ Nocona riss ihm Bogen und Köcher von der Schulter. Es war die Waffe eines Halbwüchsigen, aber besser als nichts. „Wenn sie uns fangen, sind wir tot.“
Die Esikwita eröffneten das Feuer, kaum dass sie die Flucht ergriffen hatten. Pfeile sirrten durch die Luft, Steine flogen von Schleudern. Noch erreichten die Geschosse sie nicht, doch der Abstand verringerte sich schnell.
Quanah glitt vom Pferd und ließ sich an der Seite des Tieres herunte r hängen, um ein schweres, kaum zu treffendes Ziel zu bieten.
Nocona zog einen Pfeil aus seinem Köcher, nahm dieselbe Position ein und spannte seinen Bogen unter Cetans Hals hindurch. Ein Esi k wita wurde mitten in die Stirn getroffen und von seinem Pferd geschle u dert. Die Krieger antworteten mit einer Salve aus Schüssen und wutentbran n ten Schreien, doch der Pfeilregen ging weit hinter ihnen nieder.
„Reite den Hang hinauf“, rief er Quanah zu. „Mach schon!“
Der Junge gehorchte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, denn das au s getrocknete Flussbett ging vor ihnen in ein Gestrüpp aus dornigen Sträuchern und Feigenkakteen über und machte es unmöglich, hindurchzureiten.
Nocona schoss vier weitere Pfeile auf ihre Verfolger ab. Alle fanden ihr Ziel, doch nur einer tötete. Die Esikwita holten auf und das Land hatte sich gegen sie verschworen. Er riss den Zügel herum und trieb den Hengst hinter Quanah die ausgedörrte Böschung hinauf. Tief hatte sich der ausgetrocknete Arm des Flusses in das Land geschnitten. Cetans Hufe fanden nur schwer Halt im rutschigen, steinigen Grund, doch das Tier kämpfte mit wilder Entschlossenheit, als spürte es, was seinem Re i ter im Falle seines Scheiterns bevorstand.
Die Schreie der Esikwita bebten vor Wut. Ein Pfeil bohrte sich neben Cetan in den Boden. Ein zweiter pfiff haarscharf an Noconas Arm vo r bei. Quanah hatte den Rand des Hangs erreicht und zügelte seinen Ra p pen.
„Verschwinde!“ , schrie Nocona. „Du kennst den Weg.“
„Ich gehe nicht ohne dich.“
„Verschwinde!“
Cetan entfesselte all seine Kräfte und jagte in gewaltigen, verzweifelten Sprüngen den Hang hinauf. Noch zwei Pferdelängen, noch eine.
Ein letzter Sprung, und der Steilhang war bezwungen. Im selben A u genblick durchlief den Pferdeleib ein Zucken. Ein Pfeil ragte aus der Hinterhand des Hengstes, zur Hälfte im Fleisch versunken, doch das Tier schien die Verletzung kaum zu spüren und sprengte mit gestrecktem Hals davon. Als Quanahs Rappe zu ihm aufschloss, schien es Nocona, als wäre ihre Rettung nah. Ihre Verfolger blieben zurück, mehrere sche i terten an der Bezwingung des Steilhangs und stürzten ab.
„Da vorn !“, schrie Quanah plötzlich.
Elf Schatten tauchten aus dem Morgennebel auf, keine fünfzig Pferd e längen vor ihnen. Unverkennbar Esikwita, die ihnen den einzigen Fluchtweg abschnitten. Rechts und links klafften Schluchten, hinter ihnen vollführte der Strom eine Schleife und versperrte den Weg mit einem Abgrund.
Nocona schoss schnell und instinktiv, verschwendete keinen Geda n ken an Furcht. Alle Männer, die den Hang überwunden hatten, stürzten getroffen in das Gras. Der Weg nach Norden war frei.
Als er seinen Hengst antrieb, tat der Junge es ihm gleich, das Gesicht zu einer Maske wilder Entschlossenheit verzerrt. Unmöglich, sich den Weg durch elf Krieger hindurchzubahnen. In eine
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