Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
Handfläche nach oben in meine Richtung.
Ich zündete ein weiteres Streichholz an und ließ es in die Schüssel mit dem Nachtschatten fallen. Die getrockneten Blätter rollten sich sofort zusammen, und als sie verbrannten, stieg blaugrauer Qualm auf.
„Strahlende Herrscherin des Mondes“, flüsterte ich das einzige Gebet, das ich kannte. „Strahlende Herrscherin des Mondes, bitte lass mich sehen.“ Ich streckte meine Hände über den Tisch und griff fest die von Dmitri. Seine warmen und rauen Handflächen waren jetzt mein einziger Anker in der Welt des Sichtbaren, des Lichts und des Lebens.
Dann senkte ich meinen Kopf und atmete tief ein.
22
Zuerst sah ich nichts. Mein Blickfeld war von einem schwarzen Schleier aus ätzendem Rauch vernebelt. Aber dann zog eine Brise durch mein Haar und schob den Rauch beiseite, sodass ein einfacher Raum mit ein paar Fenstern sichtbar wurde, durch die man hinaus ins Nichts sah.
Vor mir stand Alistair Duncan mit dem Rücken zu mir. Er war von einer schleimigen Aura umgeben, die um ihn herumwaberte und durch ihre silbergraue Farbe an Öl erinnerte. Wahrscheinlich hatte er diese Aura schon immer gehabt, was erklären würde, warum ich in seiner Nähe eine Gänsehaut bekam.
„Ich bin sehr enttäuscht von dir“, sagte er. Seine Stimme schien von unten, aus einem langen Tunnel zu kommen, und seine Lippen bewegten sich nicht wirklich synchron zu seinen Worten.
Durch die leicht schräge Perspektive, mit der ich in den Raum blickte, sah ich hinter Duncan noch eine weitere Gestalt, eine große, verschwommene Figur, deren Haut ganz und gar golden schimmerte. Die Aura dieser Figur war so dunkel, dass sie wie ein schwarzes Loch die Magie aus der Luft sog.
„Du bist nichts weiter als eine Puppe“, sagte Duncan. „Eine Puppe, in die ich sehr viel Zeit und Energie investiert habe, und du wirst mir gehorchen.“
Die Figur mit der goldenen Haut schaute mir in die Augen, und ich fühlte mich, als habe jemand mein Herz in Eisbeutel eingewickelt. Sie lächelte, und ich spürte dabei ihre Worte in meinem Kopf. „Befrei mich, Luna.“
Wie, zum Teufel, konnte diese fremdartige Gestalt mit ihrer unmenschlich leeren Aura meinen Namen kennen? Sie starrte mich mit einem Blick an, der nicht nur schmerzte, sondern sich auch so anfühlte, als würde er sich durch Fleisch brennen und Geheimnisse sehen können.
„Alistair.“ Eine Stimme unterbrach den Rausch meiner Vision, und Duncan drehte seinen Kopf nach rechts.
„Was bei den Hex Riots könnte wohl so wichtig sein, um uns jetzt zu unterbrechen?“
„Stephen ist verschwunden, Alistair.“
Duncan fluchte und verschwand aus meinem Blickfeld. Als er wieder zurückkehrte, zog er einen der beiden Schläger hinter sich her, die mich im Mavens festgehalten hatten, als Cassandra mich mit dem Messer bearbeitete. Duncan drückte ihn runter auf die Knie und zeigte auf etwas am Boden, das ich aber nicht sehen konnte. Der Muskelprotz fauchte, als er den Boden berührte, und ich konnte nur ahnen, was Alistair dort für einen Kreis aufgezeichnet hatte. Wahrscheinlich war er schwarz und voller sich windender und zuckender magischer Elemente, die unglaubliche Kopfschmerzen verursachten – das schien sein Stil zu sein.
„Wenn du ihn nicht findest, wirst du den Rest deines Daseins im unvollkommenen Kreis fristen. Habe ich mich klar ausgedrückt?“
Der Muskelprotz wand sich in Duncans Griff. „Ja, völlig klar! Aber er ist doch nach Hause gegangen!“
Duncan ließ ihn los. Die goldene Figur hatte sich das Schauspiel mit einem schiefen Grinsen angesehen, und ich erkannte in diesem Moment, warum der von Duncan Gepeinigte nicht vollkommen ausgerastet war – nur Duncan und ich konnten sehen, was wirklich in dem Kreis war.
Der Nebel verdichtete sich wieder, und plötzlich hatte ich das Gefühl, dass sich der Boden unter meinen Füßen drehte und schließlich in die Tiefe stürzte. Die Stimmen von Duncan und seinem Handlanger verzerrten sich. Anscheinend hatte die Wirkung des Nachtschattens nachgelassen.
In der Vision drehte ich mich auf der Suche nach einem Orientierungspunkt und war durch die schwindelerregende Bewegung kurz davor, mich übergeben zu müssen.
„Warum ist er nach Hause gegangen?“, wollte Duncan wissen, und als er den Befragten ansah, fiel mein Blick auf ein Symbol an der Wand hinter dem Kopf des Schlägers. Es war der Buchstabe A in doppelter und ineinander verschlungener Ausführung. Appleby Acres – Ghosttown.
„Er sagte, er
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