Nocturne City 01 - Schattenwoelfe
Werwolf vor uns öffnete sein Maul und brüllte. Er brachte den kleinen Dachboden zum Beben und ließ mich vor Schreck und Angst fast aus der Haut fahren. In seinen tränenden Augen spürte ich eine Intelligenz, die nicht menschlich, dafür aber weitaus stärker als die aller Werwölfe war, die ich bis zu diesem Tag getroffen hatte. Aus Stephens Augen starrte uns etwas anderes an, und diesem Etwas schien es gar nicht zu gefallen, dass wir ihm zu entkommen versuchten.
Mit einer raschen Bewegung drehte ich mich zu Dmitri um, und als sich unsere Blicke trafen, rief ich: „Lauf!“
Diesmal diskutierte Dmitri noch nicht mal, sondern ließ kurzentschlossen meinen Arm fallen und rannte los. Mit ein paar Sätzen hastete er die Treppe hinunter, und ich flog ihm nach. Unten angekommen, schlug ich die Bodentür hinter mir zu und versuchte, mit meinen vom Blut der Mädchen rutschigen Fingern den Türriegel zu schließen. Erfolglos. Dmitri schob mich hastig beiseite und rammte den Riegel genau in dem Moment ins Schloss, in dem auf der anderen Seite der schwere Körper des Werwolfs mit voller Kraft gegen die Tür krachte. Die Wand erbebte, und aus dem Türrahmen flogen Holzsplitter auf unserer Seite zu Boden.
„Bei den allmächtigen Feuern der Hex Riots“, keuchte Dmitri, während er sich mit dem Rücken gegen die Tür stemmte. „Hast du jemals so etwas gesehen?“
„Nein, und ich bin auch froh drüber“, antwortete ich. „Jetzt komm schon!“
Er schüttelte den Kopf. „Geh du. Ich werde ihn so lange aufhalten wie möglich.“
Ich griff Dmitri am Reißverschluss seiner Jacke. „Jetzt spiel hier nicht den Helden. Das ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt dafür.“
Mit einem wütenden Knurren versuchte er mich abzuschütteln, als sich Stephen von der anderen Seite erneut gegen die Tür warf. „Ich komm schon klar. Hau ab, solange du noch kannst.“
Männer!
Ich griff fester zu und zog Dmitri auf meine Augenhöhe hinunter. „Ich bin keine Jungfrau in Nöten. Und du bist nicht der Scheißritter in der glänzenden Rüstung. Kapiert?“
Nach einem Moment nickte er. „Kapiert.“
„Gut. Dann renn um dein Leben.“
Als Stephen einen Augenblick später mit lautem Krachen durch die Tür brach, war Dmitri trotz der Panik des Moments so umsichtig, meine Hand zu greifen, und strafte all jene Lügen, die behaupten, es gäbe bei Werwölfen keine Tugenden mehr.
Wir kamen allerdings nur bis zum Flur. Dann hatte Stephen uns eingeholt und stieß hinter uns wieder dieses nasse, unnatürliche Knurren aus. Ich fuhr herum und zog wie aus einem Reflex die Pistole aus dem Hosenbund. Stephen spannte seine Muskeln an und sprang dann in einer für seinen deformierten Körper überraschend flüssigen Bewegung auf mich los und rammte mich. Durch die Wucht seines Gewichts prallte ich rückwärts gegen Dmitri und riss ihn mit mir zu Boden. Die Waffe schlitterte über das Geländer aus meinem Sichtfeld und war damit erst mal außer Reichweite.
Als ich wieder Luft bekam und die beiden sich drehenden schwarzen Kreise vor meinen Augen verschwanden, war ich einigermaßen erstaunt, dass Stephen noch nicht über mir kauerte, um seine Zähne in mich zu versenken. Stattdessen tapste er über uns hinweg, wobei er mir unbeholfen über den Brustkorb latschte, und lief dann die Treppe hinunter, um zur Vordertür hinaus zu fliehen. Kurz darauf hörte man auf der Straße die Reifen bremsender Autos quietschen.
Ich entwirrte meine Gliedmaßen aus dem Knäuel, das Dmitri und ich bei unserem Sturz gebildet hatten, und rannte dem Werwolf nach. Auf der Terrasse angekommen, sah ich nur noch, wie er im gegenüberliegenden Park verschwand und noch mal kurz seine gelb-rosafarbenen Augen aufblitzen ließ, bevor ihn die Bäume verschlangen.
Im nächsten Moment ließ ich mich auf die Knie fallen und sog erst mal ein paar Züge kostbare, frische Luft in meine Lungen. Nach ein paar Sekunden kam auch Dmitri aus dem Haus.
„Scheiße!“, sagte er und schlug mit der Hand gegen die Wand. „Wir haben ihn verloren!“
„Und du bist ernsthaft böse deswegen?“, fragte ich. „Hast du nicht gesehen, was für riesige Zähne er hatte?“
Aus einer Tasche in Dmitris Jacke erklang der Klingelton seines Handys. Wir beide sprangen sofort nervös auf. Mit einem Grinsen sagte ich: „Hätte nicht gedacht, dass du auf Barry Manilow stehst.“
„Klappe“, schoss er zurück, bevor er ranging. Im nächsten Moment reichte er mir das Telefon; „Deine
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