Nocturne City 02 - Blutfehde
eigentlich wiedergekommen bin?“, murmelte ich vor mich hin.
Rick bot mir schweigend ein Karamellbonbon aus der Schale auf dem Tresen an, das ich sofort auswickelte und mit energischem Kauen in meinem Mund zerkleinerte. „Vielleicht sollte ich mir diese Dinger kiloweise reinstopfen, bis ich mit einem Zuckerschock umfalle. Dann kann ich morgen krankmachen und mir diesen Wahnsinn hier ersparen.“
Weiter hinten im Gang sah ich, wie Captain Morgan aus ihrem Büro kam und die Tür hinter sich abschloss. Sie trug einen
grauen Hosenanzug, der ihr trotz ihrer gedrungenen Figur gut stand, und ein Paar wirklich außergewöhnliche Schuhe von Marc Jacobs, die ich zuvor nicht bemerkt hatte.
„Bei den Hex Riots!“, murmelte ich und versuchte, mich schnurstracks in Richtung Büro davonzuschleichen. Morgan war allerdings schneller und blieb auf meiner Höhe stehen. Einen Augenblick lang starrte sie mich wortlos an. „Haben Sie keinen Schreibtisch, Detective?“
„Doch, Captain“, antwortete ich reserviert, worauf sie mit einem Schnauben reagierte.
„Dann wird s wohl eine Schilddrüsenüberfunktion sein, wegen der Sie hier so rastlos herumlaufen und nicht arbeiten, oder können Werwölfe generell nicht still sitzen? So oder so, gehen Sie jetzt gefälligst wieder an Ihre Arbeit!“ Dann trappelte sie auf ihren Designerschuhen, für die mein Monatsgehalt nicht ausreichen würde, durch die Lobby und verschwand durch die Tür, ohne Rick auch nur eines Blickes zu würdigen. Am liebsten wäre ich ihr gefolgt und hätte ihren Schädel mit einem ihrer Luxustreter bearbeitet. Stattdessen griff ich mir noch eine Handvoll Karamellbonbons und machte mich etwas früher als sonst auf den Heimweg.
3
Als ich den Fairlane um zwei Uhr morgens vor meinem kleinen Haus parkte, konnte ich den Ozean zwar hören, aber nicht sehen. Der irgendwie unheimliche, aus Treibholz gebaute Pfad zum Wasser verschwand zwischen den Dünen, und der zunehmende Mond stand hoch am klaren Herbsthimmel.
Vor dieser Kulisse lag mein Häuschen – ein günstig gemietetes, anderthalbgeschossiges Holzhaus, an dem sich ein paar Rosen emporrankten – in vollkommener Dunkelheit. Meiner Erfahrung nach ließen sich entschlossene Einbrecher nicht von ihrem Vorhaben abhalten, nur weil man das Wohnzimmerlicht anließ. Außerdem musste ich nun, da Sunny nicht mehr da war, etwas auf meine Nebenkosten achten, um nicht mit einer Superrechnung von Greater Pacific Power b- Light überrascht zu werden.
Vor der Türschwelle blieb ich stehen und verharrte einen Moment lang regungslos, um zu lauschen. Außer dem gleichmäßigen Rauschen der Wellen drang aber nichts an mein Ohr, und auch meine Nase konnte nur den traurigen Geruch von verwelkten Rosen ausmachen, der sich mit der salzigen Meeresbrise mischte. Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, griff ich sofort nach dem Lichtschalter, und noch bevor die Lampe den Flur erleuchtete, jagten mir jede Menge unangenehme Erinnerungen einen eiskalten Schauer über den Rücken.
Vor nicht allzu langer Zeit war ich genau an dieser Stelle, wo ich nun Jacke und Schulterholster ablegte, von einem Hexer attackiert worden. Obwohl das Ereignis schon Monate zurücklag, plagten mich noch immer Albträume, und es fiel mir nach wie vor schwer, mich des Gefühls zu erwehren, dass in der Dunkelheit jemand auf mich lauerte.
Mit einem Blick ins Wohnzimmer überzeugte ich mich davon, dass alles so war wie immer. Lediglich an der Stelle, wo ich Regan Lockhart erschossen hatte, lag jetzt ein neuer Teppich. Nachdem ich meine Motorradjacke auf den Kleiderständer gehängt hatte, legte ich die Glock in das Mittelfach des alten Schreibtischs, der im Vorzimmer als Ablagefläche diente. Früher hatte ich das Schubfach stets abgeschlossen, aber nach allem, was geschehen war, ließ ich es mittlerweile einen Spaltbreit offen, sodass ich die Waffe im Handumdrehen herausziehen konnte.
Vieles hatte sich verändert, seitdem es mir gelungen war, Asmodeus – den uralten Dämon, den der hexende Bezirksstaatsanwalt von Nocturne City vor drei Monaten in unsere Welt gerufen hatte – aufzuhalten. Ich schlief seitdem nicht mehr durch, hatte ein Jagdmesser an der Unterseite meines Bettgestells versteckt, und auch meine Pistole lag nun immer griffbereit. Kleine Stimmen in meinem Hinterkopf flüsterten mir hin und wieder zu, dass ich paranoid geworden war – wie diese Cops, die sich allein mit der Waffe in der Hand alte Filme anschauen und währenddessen darüber
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