Nocturne City 02 - Blutfehde
sein.
Dr. Kronen hatte alle Piercings und Ringe fein säuberlich in einem Folienbeutel versiegelt, nur ein Schmuckstück klapperte lose auf dem Boden des brauen Beutels. Ich zog eine Kugelkette heraus, an der eine Menge Klimbim befestigt war. Als Erstes fiel mir eine kleine Glasampulle ins Auge – ein weitverbreitetes Accessoire unter Drogenabhängigen. Beim Öffnen der Ampulle kroch mir eine Heroinwolke in die Nase, die mich fast auf die Bretter geschickt hätte. Neben dem Glasröhrchen befanden sich noch der siebeneckige Stern der Bluthexen, ein Medaillon mit einem Foto von Valerie und ein kleiner Schlüssel an der Kette -alles Gegenstände, die ich auf den ersten Blick für wertlosen Krimskrams hielt. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte ich das Logo der First Bank of Nocturne auf dem Schlüssel. Welche Ironie des Schicksals! Offenbar hatte Vincent Blackburn für das kompromittierende Material ein Schließfach bei der Bank der O’Hallorans gemietet.
25
Als ich zur Mittagszeit in der First Bank of Nocturne ankam, herrschte dort reger Betrieb. Die Bank war in einem dieser imposanten Geschäftsgebäude auf der Main Street untergebracht, deren Fassaden mit ihren antiken Elementen eher griechischen Tempeln als modernen Bauten ähnelten. Es war die einzige Niederlassung in der ganzen Stadt, was aber eine gewisse Logik hatte, denn die First Bank of Nocturne konzentrierte sich auf wohlhabende Geschäftsleute und die Finanzierung edler Eigenheime in Cedar Hill – ein einträglicher, aber auch sehr begrenzter Markt in einer Stadt wie Nocturne.
Ich trat an einen der Schalter, hielt der Bankangestellten meine Dienstmarke und den Schlüssel unter die Nase und erklärte ihr, was ich wollte. Bevor sie antwortete, biss sie sich mit einem Kopfschütteln auf die Lippe. „Es tut mir wirklich leid, aber ich kann Sie nicht einfach so zu den Privatschließfächern vorlassen. Vincent Blackburn ist nicht nur ein guter Kunde, sondern auch ein sehr netter Mensch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas Gesetzwidriges getan hat.“
„Eine andere Person konnte sich das aber sehr wohl vorstellen und war allem Anschein nach sogar derart verärgert darüber, dass sie den guten Vincent kurzerhand ermordet hat“, erwiderte ich, woraufhin die entsetzte Bankangestellte mich mit weit aufgerissenem Mund anstarrte. „Ich denke, dass wir nach dem Tod von Vincent Blackburn nicht mehr sonderlich viel Rücksicht auf seine Privatsphäre nehmen müssen, sodass Sie mich ruhig zu seinem Schließfach führen können.“
Ohne Frage, ich war nicht sonderlich einfühlsam mit der Frau umgegangen, aber dass sie einen in Erpressung und Drogenhandel verwickelten Junkie als „sehr netten Menschen“ bezeichnete, hatte mich verärgert.
Die Bankangestellte führte mich in einen kleinen Raum, der durch die mit rotem Samt verkleideten Wände und den eleganten Polsterstuhl wie ein gut beleuchteter Sarg wirkte. Wortlos öffnete sie Vincents Schließfach, zog eine Kiste heraus, die weitaus größer war, als ich erwartet hatte, stellte sie auf dem großen Eichentisch vor mir ab und ließ mich dann allein.
„Hoffen wir mal, dass du etwas Interessantes für mich hinterlassen hast, mein lieber Vincent“, murmelte ich, während ich den Klappdeckel anhob. In der Lade fand ich einen Stapel Mappen, die fein säuberlich mit verschiedenen Namen und Daten beschriftet waren. Als ich nach der ersten Mappe griff, um mir deren Inhalt anzusehen, fielen mir gleich ein Dutzend Fotos entgegen, deren Motive nur für fortgeschrittene Internet-Perverslinge interessant gewesen sein dürften. Beim Anblick der Bilder kam in mir eine Mischung aus Erstaunen und Entsetzen auf, denn so viele verschiedene Verwendungsarten für brennende Kerzen hatte ich nicht für möglich gehalten.
Unter den Mappen, die allesamt ähnliche Fotos enthielten, lagen zwei DV-Kassetten und eine Reihe von CDs, auf denen sich laut Beschriftung digitale Sicherheitskopien der Bilder befanden. Mit einem Seufzer machte ich mich an die mühsame Arbeit, den Inhalt der restlichen Mappen zu durchsuchen und mir die Namen der abgelichteten Personen zu notieren.
In der Mitte des Stapels fand ich eine Mappe mit dem Namen ROGER DAVIDSON BURDOCK. Als ich sie aufschlug, grinste mir „Mark“, der Stiefellecker aus dem Bete Noire, wollüstig entgegen. Vincent hatte einen Artikel über ihn aus dem Fortune Magazine an das geschmacklose Foto geheftet, auf dem Roger ein hübsches, aber viel zu kurzes Kleid trug. Nachdem
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