Nocturne City 03 - Todeshunger
hast mir geholfen, und dafür bin ich dankbar.«
»Wenn du verarztet bist, kannst du bei mir untertauchen, bis die Polizei mit Donal und der Leiche durch ist.« Die Schreie des Werwolfs hallten immer noch durch meinen Kopf. Sie ließen mich erschaudern, und für einen Augenblick spürte ich wieder den magischen Nebel auf meiner Haut. Was immer er auch getan haben mochte – ich war mir sicher, dass Macleods Leibwächter einen derartigen Tod nicht verdient hatte.
»Aber was dann?«, fragte Lucas, als ich nicht weitersprach.
»Dann …« Um antworten zu können, musste ich erst all die Angst und all den Ekel, der bei den Gedanken an Lucas’ Bluttaten in mir hochgekommen war, unter die Oberfläche zurückdrücken. So taten es alle Gesetzeshüter, Soldaten und Menschen, die beruflich mit traumatischen Ereignissen zu tun hatten, um ihre natürlichen und menschlichen Reaktionen auf so furchtbare Ereignisse kontrollieren zu können. »Dann bringe ich dich nach Hause zu deinen Leuten …«, beantwortete ich, »… und wir beide vergessen besser, dass wir einander je begegnet sind.«
Lucas drückte meine Hand fester. »Das wird mir schwerfallen, Luna.«
Als sich unsere Blicke trafen, spürte ich etwas Vertrautes. Es war dieselbe Mischung aus Leidenschaft und Faszination, die ich fühlte, wenn Dmitri mich ansah. Bei Lucas kam aber noch sein zurückhaltender, scheuer Gesichtsausdruck hinzu. Jede andere Frau mit Partner wäre in diesem Moment aufgestanden, bis auf Armlänge zurückgewichen und hätte sich dem unheimlichen Verehrer nie wieder genähert. Ich aber blieb sitzen.
Nach einigen Augenblicken löste ich doch meine Hand aus seinem Griff. »Ich bin mit jemandem zusammen.«
Sein Blick wurde leer. »Der Raucher ist ein echtes Glückskind.«
Meine Lippen zuckten. »Danke.« Im selben Atemzug erinnerte ich mich daran, dass ich seit einiger Zeit nichts mehr aus dem Verkaufsraum der Drogerie gehört hatte. Ich stand auf und spähte durch die Schwingtür. »Hex noch mal. Pops ist fortgegangen.«
»Dann wirst du mich verarzten müssen«, sagte Lucas. »Keine Sorge …«, fügte er hinzu, als er die Bestürzung auf meinem Gesicht sah, »… ich glaube an dich!«
»Na toll. Immerhin einer von uns.« Hinter dem Verkaufstresen fand ich einen zerbeulten Verbandskasten. Er enthielt einen kleinen Einsetzboden mit Instrumenten und einige Ampullen Morphium. Ich nahm den Kasten, eine Flasche Alkohol und ein paar zusätzliche Mullbinden mit und ging zurück ins Behandlungszimmer. »Ich hoffe, du weißt, dass ich das nicht allzu häufig mache …«
Lucas zog eine altmodische Spritze mit Morphium auf und hielt mir ein Stück Gummiband hin. »Bind meinen Arm ab.«
Mit leichten Schlägen auf die abgebundene Armbeuge ließ er eine Vene hervortreten und injizierte sich das Morphium.
»Wenn du dich beeilst, träume ich die ganze OP über von rosa Häschen und lustigen Kobolden«, lachte er.
»Strahlende Herrscherin, steh mir bei!«, flüsterte ich und goss Alkohol über eine Pinzette. Dann nahm ich den Mull von der Wunde. »Halt still, jetzt tut’s weh«, warnte ich, als ich das Einschussloch ebenfalls mit Alkohol spülte und mich ans Werk machte.
Lucas zuckte zusammen, seine Hände klammerten sich verkrampft an der Pritsche fest. »Halt still!«, mahnte ich, denn um ein Haar wäre die Kugel aus dem ohnehin schon unsicheren Griff der Pinzette geflutscht. Vorsichtig zog ich das verformte Hohlspitzgeschoss aus seiner Schulter und ließ es erleichtert in den Papierkorb plumpsen.
»Alles klar?«, fragte Lucas kichernd. »Du siehst nämlich ganz und gar nicht gesund aus. Wirst wohl gleich ohnmächtig, was, Mädchen?«
»Du bist high,«, antwortete ich und machte mich auf die Suche nach der zweiten Kugel. Lucas lachte in einer Tour. Nachdem ich seine Wunden versorgt hatte, schleppte ich ihn auf die Straße und hielt ein Taxi an. In diesem Teil der Stadt rochen die Taxen immer nach abgestandenem Bier und Abgasen und wurden von Typen gesteuert, deren Gesichter man im schummrigen Licht der Armaturenbeleuchtung unmöglich erkennen konnte. Als ich dem Fahrer die Adresse des Cottages nannte, brummte er nicht gerade begeistert: »Wird schwer, da hinzukommen.«
»Ach was«, widersprach ich. »Nehmen Sie einfach das Lenkrad in die Hände, stellen Sie den Fuß aufs Gaspedal, und Newtons Gesetze erledigen den Rest.«
»Nein«, entgegnete er sichtlich genervt. »Haben Sie nicht ferngesehen? Der Freeway ist blockiert. Die Überführung ist
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