Nördlich des Weltuntergangs
kleine Frau, die sich jedoch widersetzte. Die Schneide des Dolches ritzte dem Bären die Brust und den Hals auf, traf sogar sein Maul. Das wütende Tier schleuderte die Widersacherin auf den Boden. Es hallte und dröhnte, als der Bär die alte Frau malträtierte, während sie laut um Hilfe rief. Es war ein ungleicher Kampf: Der Bär siegte, und die arme Alte, die so zäh gewesen war, unterlag und gab ihren Geist auf. Das grausame Schauspiel im Wald am Tuohenlampi war zu Ende.
Im Dorf erfuhren die Leute bald von dem Drama, denn die wild gewordenen Tiere rannten mit erhobenen Schwänzen und kotbespritzten Flanken in ihre Ställe. Als aus dem Wald die schwächer werdenden Hilferufe des alten Hirtenmütterchens und das Brüllen des Bären zu hören gewesen waren, war bereits die Partisanenkompanie alarmiert worden. Ihr Chef Naukkarinen schickte eine Streife an den Tuohenlampi, doch diese konnte nur noch das Geschehene zur Kenntnis nehmen; die alte Frau lag zerquetscht und übel zugerichtet unter einer Fichte. Sofort war klar, dass ein Bär das Unglück verursacht hatte.
Die ganze Partisanenkompanie rüstete sich zur Bärenjagd. Auch an Zivilisten wurden Gewehre ausgeteilt. Am eifrigsten war natürlich John Matto, der einzige Sohn der Verunglückten, bei der Sache. Die Hunde wurden auf die Spur des Bären gehetzt. Feldpröbstin Tuirevi Hillikainen segnete die Waffen und bat den Allmächtigen, den Jägern Erfolg zu bescheren. Denn im sommerlichen Ödwald einen Bären zu jagen ist eine schier unmögliche Aufgabe. Immer wieder kehrte die hundertköpfige Jägerschar müde und ohne die erhoffte Beute zurück.
Eveliina Mättö wurde auf dem Friedhof von Ukonjärvi beigesetzt und zur ersten Heldentoten des Dorfes erklärt. Auf ihren Grabhügel wurde ein quadratischer Feldstein gesetzt, in den der Somalischmied eine Kupferplatte genietet hatte. Sie enthielt die Inschrift: Pro Ukonjärvi. Gefallen für das Vaterland.
Die Männer legten für den Bären hinter dem Hiidenvaara Kadaver aus. Tagtäglich streiften sie durch die Wälder. Nicht einmal Mittsommer mochten sie recht feiern; in aller Eile brannten sie am Abend ein Lagerfeuer ab, aber gleich am nächsten Morgen setzten sie die Jagd auf den Bären fort.
In der Woche nach Mittsommer führte die hartnäckige Jagd endlich zum Erfolg. Der Mörder des Ödwaldes fand am Rumavaara, etwa drei Kilometer nördlich des Hiidenjärvi-Sees, sein Ende. Ausgerechnet John Matto, der Sohn der Toten, feuerte den tödlichen Schuss in die Brust des angreifenden Tieres ab.
Die Jäger trugen den Bären auf Stangen ins Dorf. Eemeli Toropainen beschloss, ein anständiges Jagdfest auszurichten. Diese Beute musste zünftiger als andere gefeiert werden, schon allein Eveliina Mättö zu Ehren. Er schickte an die Schnapsbrennerei eine üppige Bestellung.
Seppo Sorjonen hatte sich seinerzeit mit der finnischen Mythologie beschäftigt und schlug vor, das Jagdfest nach Art der Vorväter zu feiern. Der Vorschlag wurde nur zu gern akzeptiert.
Dementsprechend wurde an der höchsten Stelle des Hiidenvaara ein hundert Meter langer Tisch errichtet, ein Ende zeigte nach Norden, das andere nach Süden. In einer Schüssel wurde der Schädel des Bären auf den Tisch gestellt. Die Jäger und die anderen Festgäste setzten sich zum Mahl. Es gab Erbsensuppe mit dem Fleisch des getöteten Bären.
Bier und Schnaps flossen in Strömen. Viele der Feiernden schnüffelten Fliegenpilzextrakt, wovon man fast verrückt wurde. Das Gelage dauerte den ganzen Tag. Am Abend wurden dann die Zähne aus dem Schädel des Bären gerissen. Den größten bekam der erfolgreiche Jäger John Matto, der sich den Zahn an einer Kette um den Hals hängte.
In den frühen Morgenstunden ordneten sich die Feiernden zu einem langen Zug und trugen johlend den Schädel ans Ufer des Tuohenlampi, dorthin, wo der Bär die alte Eveliina getötet hatte. Hier ästeten sie eine hohe Kiefer ab und setzten den Schädel auf deren Spitze, und zwar so, dass die Augenhöhlen nach Norden zeigten.
Der Totenbaum wurde mit einigen Gebeten bedacht, anschließend wurde die Stelle »Romentola« getauft.
Am nächsten Tag ging die Feier weiter. In der folgenden Nacht wurden die Knochen des Bären in die Höhle gelegt, die die Hunde im Fichtenwald aufgespürt hatten. Das sollte bewirken, dass sich dort nie wieder ein Bär einnistete und dass das Vieh künftig Ruhe hatte. Die Höhle sah widerlich aus und stank grässlich.
Man beschloss, noch einen dritten Tag
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