Nördlich des Weltuntergangs
wusste zu berichten, dass diese Frau zeitweilig auch die Geliebte des Oberst gewesen war, damals, als er noch als Hirte die Bullen herde betreute. Der uniformierte Mann mit dem Saxofon hatte die Frau offensichtlich beeindruckt. Später hatte sie dann vom Blues genug gehabt, sie hatte den Oberst verlassen und einen Jüngeren geheiratet.
»Es wird sie fuchsen, dass sie in dem Knast einge sperrt ist, den ihr Verflossener bewacht«, meinte die Schnapsbrennerin Tyyne Reinikainen.
Beflügelt von gründlicher Qualitätskontrolle, fuhren Eemeli und Taina in vollem Galopp nach Rajakylä zu rück. Arm in Arm saßen sie auf dem Wagen und sangen fröhliche Trinklieder. Eemeli hatte die Zügel übernom men. Der Weg staubte unter den Rädern.
Es war ein herrliches Gefühl, über die dämmrige Dorfstraße rasen zu können, ohne sich wegen Trunken heit am Steuer Gedanken machen zu müssen. Schließ lich war das Pferd stocknüchtern.
Aus Richtung des Gefängnisses waren melancholische Saxofonklänge zu hören. Der Oberst saß auf den Stufen vor der Frauenzelle und spielte Blues für seine ehemali ge Geliebte. Die Tür hielt er dabei allerdings fest ver schlossen. Eemeli und Taina übernachteten beim Ge fängnisdirektor. Nach der Inspektion der Schnapsbren nerei hatten sie nicht mehr die Kraft, weiterzufahren. Der Oberst machte ihnen das Bett in seiner Schlafkam mer zurecht und schlief selbst in der Wohnstube. Am Morgen kochte er zum Frühstück Tee im Samowar und machte Blinis.
Die Fahrt ging weiter nach Kalmonmäki, wo Eemeli die Kaserne der Partisanenkompanie inspizierte. Sulo Naukkarinen, inzwischen bereits Hauptfeldwebel, orga nisierte auf dem Hof eine Parade, die Eemeli abnahm. Anschließend wurden die Mannschaftsräume besichtigt. Überall herrschte lobenswerte Ordnung. Zum Schluss führte die leichte Granatwerfermannschaft im Gelände ein Schießen mit scharfer Munition vor.
In Grünberg besichtigten Eemeli und Taina den Kräu tergarten und die Pilztrocknungsanlage. Im Frühjahr hatten die Mitarbeiter fast zweihundert Kilo Steinmor cheln gesammelt und getrocknet, berichtete stolz die Leiterin, eine profunde Kennerin der natürlichen Sam melwirtschaft. Im Kräutergarten keimten auf einer Flä che von mehreren Ar die verschiedensten Gewürz- und Arzneipflanzen. Zum Abschluss der Inspektion wurden den Gästen Kräutertee und kalorienarme Biokekse serviert.
Als Eemeli im Wagen saß, holte er sofort den geräu cherten Schweinespeck aus dem Proviantkorb, schnitt sich ein tüchtiges Stück davon ab und aß es zusammen mit einer Scheibe Brot. Zum Nachspülen trank er Kräu terschnaps. Letzterer war die Form, in der er Gewürz pflanzen am liebsten zu sich nahm.
Die Heimfahrt konnte beginnen. Taina lenkte das Pferd auf die Straße nach Ukonjärvi. Sie kamen an einem kleinen See vorbei, dem Hiidenkattila, der in einer tiefen Schlucht am Südzipfel des Berges lag. An seinem Ufer wuchs üppiger Laubwald, dort war es schattig und kühl.
Der Hengst trabte bedächtig über den schmalen Weg, der sich zu dem Wäldchen hinunterschlängelte, aber plötzlich wurde er unruhig. Er witterte eine Gefahr, fiel in nervösen Galopp und ließ sich nicht mehr lenken.
Eemeli wollte gerade den Schnapskrug in den Korb stellen, als er flüchtig am Wegrand einen großen Bären mit grauem Fell sichtete. Der Petz erhob sich auf zwei Beine und nahm Witterung nach dem Hengst auf, dabei brummte er dumpf.
Der Hengst ging durch und raste in vollem Galopp über den kurvenreichen Fahrweg. Eemeli und Taina mussten sich festklammern, um nicht aus dem Wagen zu fallen, der in den Kurven auf zwei Rädern schleifte.
Der Hengst galoppierte mit schaumbedeckten Flanken am Iso Haukilampi vorbei und bog auf den Weg nach Ukonjärvi ein. Zum Glück kam ihnen niemand entgegen. Der Wagen donnerte über die Brücke. Der wilde Galopp endete erst auf dem Hof des Herrenhauses, wo Taina den Hengst vor der Stallwand zum Stehen brachte.
Mit vereinten Kräften konnten sie das Tier beruhigen, sie brachten es in den Stall, wo es sich in seine Box stellte und zitterte.
Eemelis Herz vertrug so viel Aufregung nicht. Er drückte die Hand auf die Brust und setzte sich auf den Brunnendeckel. Sein Gesicht war schneeweiß. Taina und die Dienstmädchen führten ihn in die Schlafkam mer und steckten ihn ins Bett. Er bekam einen Schluck Schnaps eingeflößt und Engelwurzextrakt unter die Zunge. Dann forderte Taina ihn auf zu schlafen und schloss die
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