Nördlich des Weltuntergangs
wieder zu empfangen waren, berichtete ein italienischer Piratensender, dass die Wolke eine Folge der starken Kernladungen gewesen war, die in verschiedenen Teilen der Welt gezündet worden waren. Aus der verbrannten Erde waren Un mengen von radioaktivem Staub aufgestiegen. Dieser hatte sich in den oberen Luftschichten gesammelt und war schließlich so dick geworden, dass die Sonne nicht mehr hindurchdrang. Die Riesenwolke war über Asien, Europa und Ukonjärvi hinweggezogen. Es war die schwarze Hexenküche des dritten Weltkrieges gewesen, schlimmer und gewaltiger als ein Feuersturm.
Die finnischen Zensurbehörden erklärten, dass diese so genannte »Junifinsternis« von anderthalb Tagen Dauer ein natürliches Ereignis gewesen sei, das aller dings ziemlich selten auftrete. Dergleichen komme vor, wenn sich in der Atmosphäre Industriegase angesam melt hatten, die sich dann mit den verschiedenen Ur stoffen verbanden und so eine ungewöhnlich starke, lichtundurchlässige Wolkenformation verursachten. Die Bischöfe wiesen in ihren Stellungnahmen auf die aus der Bibelgeschichte bekannte »Ägyptische Finsternis« hin.
Wie auch immer, die Sonne schien und die Vögel san-gen wieder. Das Leben in Ukonjärvi verlief bald in den üblichen Bahnen. Der Weltkrieg ging weiter, das Gras wuchs, die Ochsen wurden dicker.
Schon ein ganzes Jahr lang hatten Eemeli oder einer seiner Leute vom Bahnhof Valtimo regelmäßig die fran zösischen Kriegslieferungen abgeholt. Die Kisten trafen einmal pro Woche ein, immer unverändert im gleichen Takt. Für welchen Zweck die darin verpackten dünnen Metallplatten bestimmt waren, wusste immer noch niemand. Die verschiedensten Vermutungen wurden angestellt. Sollten diese seltsamen Platten vielleicht Ersatzteile für irgendeine militärische Anlage sein? Womöglich dienten sie auch zur Erkennung im Nacht krieg, denn sie glühten ja schwach in der Dunkelheit. Oder vielleicht waren sie die Verkleidung für irgendein geheimnisvolles Instrument, dienten womöglich zum Schutz vor atomarer Strahlung.
Der Somali Josif Nabulah hatte die Platten in seiner Schmiede erhitzt und mit dem Hammer bearbeitet. Er hatte festgestellt, dass sie außerordentlich bruchfest waren, sie schmolzen nicht leicht, und so ließen sich aus ihnen ausgezeichnete Gleitlager herstellen. Eine weitere Verwendung der Platten wurde durch ihre un gewöhnliche Härte erschwert, sie ließen sich nur sehr schwer verformen.
Severi Horttanainen hatte sich für die Platten eine, wie er fand, ausgezeichnete Verwendung ausgedacht. Er hatte damit den Ofen in seiner Hütte am Hiidenvaara gekachelt. Und weil genügend Platten da waren, hatte er auch noch den Fußboden vor dem Ofen gefliest. Er fand, dass sein Ofen außerordentlich schön geworden war. Die französischen Platten bewirkten, dass er immer einen schwachen Schein abgab, auch wenn er gar nicht in Betrieb war. Am schönsten aber sah es aus, wenn Severi im Ofen ein Feuer entzündete. Dann loderten die Flammen hinter der glühenden Außenhaut, und es war äußerst gemütlich. Dass die glühenden Platten eine gefährliche Strahlung absondern könnten, kam ihm gar nicht in den Sinn.
Seppo Sorjonen entschlüsselte schließlich das Ge heimnis um die ominösen Platten. Er besorgte sich ein französisches Wörterbuch, mit dessen Hilfe er die mitge schickte Gebrauchsanweisung übersetzte.
Aus der Anweisung ging hervor, dass die Sendungen vom Ersatzlager für Spezialwaffengattungen der militä risch-technischen Industrie des Vereinigten Europa kamen. Die Platten waren für Dichtungsmessungen in der Atmosphäre und für die Analyse der erhaltenen Ergebnisse vorgesehen. Sie waren so etwas wie Impuls geber, mit deren Hilfe festgestellt wurde, welche Stoffe jeweils in der Luft schwebten.
Die Anweisungen besagten, dass die Platten vorsichtig aus der Kiste herausgenommen werden sollten, wobei die sensible glühende Oberfläche nicht berührt werden durfte. Anschließend sollten sie in zwei Metern Höhe angebracht werden, zum Beispiel an einem Baum oder einem Gebäude, etwa so wie die Kontrollhäuschen für die Wetterbeobachtung. Der Abstand zwischen den einzelnen Indikatoren sollte einen Kilometer betragen. Nachdem die Platten drei Tage und drei Nächte draußen unter freiem Himmel gewesen waren, sollten sie durch ein spezielles Analysegerät geschickt werden. Die ge brauchten Platten und die Analyse hätten schnellstens und auf geheimem Wege nach Frankreich zurückge
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