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Nora Morgenroth: Die Gabe

Nora Morgenroth: Die Gabe

Titel: Nora Morgenroth: Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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das mich zuletzt am meisten beeindruckt hatte, die Last Lecture von Randy Pausch. Ich kaufte es in unserem Laden, packte es schön ein und legte eine Karte dazu. Weil Andreas an diesem Tag keinen Dienst hatte, übergab ich das Päckchen der strengen Oberschwester. Immerhin rang sie sich ein Lächeln ab und wünschte uns alles Gute. Das Kapitel Krankenhaus konnten wir nun immerhin abschließen, auch wenn Hedda den Gips noch eine Weile tragen und regelmäßig zur Krankengymnastik musste.
    Am zehnten Januar fand die Trauerfeier statt, wo Hedda sich auf ihren Krücken schon erstaunlich behände bewegte. Ich war bei der Feier viel aufgewühlter und trauriger, als ich erwartet hatte. Es war ein sehr persönlicher und würdevoller Abschied im kleinen Kreis, so, wie Hedda es sich gewünscht hatte. Marc war für mich nicht mehr nur dieser etwas farblose Typ, den Hedda sich unerklärlicherweise ausgesucht hatte. Ich wusste nun um seinen Schmerz, nicht mehr bei ihr sein und alles wieder gutmachen zu können. Und ich wusste, dass er sie wirklich geliebt hatte.
    Hedda wohnte nun allein in dem Haus und weigerte sich hartnäckig, mich dort aufzunehmen. Sie wollte von Anfang an allein zurechtkommen. Ich durfte alle zwei Tage vorbeikommen, sie zum Einkaufen fahren und ihr beim Saubermachen helfen. Die Putzfrau konnte sie sich nicht mehr leisten. Ihre Arbeit als Sekretärin bei einem bekannten Tiefkühlkosthersteller, der seine Fabrik vor den Toren der Stadt hatte, sollte sie erst in etwa einer Woche wieder aufnehmen, so lange war sie noch krankgeschrieben. Hedda hatte ausreichend Zeit gehabt, sich ausführlich um die Finanzen zu kümmern, sie ließ einen Berater ihrer Bank kommen und vereinbarte den baldigen Verkauf des Hauses. Sie schaltete Anzeigen in Zeitungen und im Internet und bald trabten die ersten Interessenten an. Gleichzeitig machte sie sich auf die Suche nach einer Wohnung, zu meiner Beunruhigung allerdings nicht hier, sondern in Vallau.
    „Du willst zu Mutter ziehen?“, war es mir entfahren, als sie mir diese Absicht mitteilte. Hedda zog eine einzelne Augenbraue hoch – was ich übrigens, obwohl wir ja Schwestern sind, niemals fertiggebracht habe, worum ich sie aber schon immer glühend beneidet hatte.
    „Liebste Schwester, ich ziehe nicht zu Mutter, ich ziehe in eine Stadt mit ungefähr zwei Millionen Einwohnern. Es wird sich ja wohl einrichten lassen, ihr nicht jeden Tag über den Weg zu laufen.“
    Damit war für Hedda der Fall erledigt und ich fühlte mich irgendwie schon verlassen, bevor sie überhaupt weggezogen war. Sie würde sich einen neuen Job suchen, fertig. „Tippen kann ich überall“, hatte sie gesagt, als ich das Thema, Bedenken vorschiebend, wieder einmal aufbrachte, und: „Du kannst doch mitkommen.“
    Doch für mich war das alles nicht so einfach. Während meine Schwester , die erst seit kurzem Witwe war, ihr Leben mit ungeahnter Tatkraft anpackte, befand ich mich in einer Art Vakuum. Einen neuen Job hatte ich immer noch nicht gefunden, dafür hatte ich in den letzten Wochen eine beträchtliche Zeit und Energie darauf verwandt, lange Gespräche mit Hedda zu führen, über den Unfall, Marc und alles, was vorher zwischen den beiden geschehen war. Anscheinend musste es mir irgendwie geglückt sein, sie davon zu überzeugen, dass Marc sie bis zum Schluss geliebt hatte und alles gut werden würde, dass er ihr bestimmt nichts nachtrug – wo er auch immer war. Jedenfalls gelang ihr etwas, was ich in Bezug auf Daniel immer noch nicht geschafft hatte: loszulassen. Immerhin hatte ich also meine Aufgabe erfüllt, mein Versprechen eingelöst, soweit ich das konnte, ohne Hedda zu erklären, woher ich das alles mit einem Mal wusste. Vielleicht glaubte sie mir, weil sie mir einfach glauben wollte. Wie auch immer, Marcs Nähe spürte ich immer seltener, nur manchmal war mir, wenn ich mich in Heddas Nähe aufhielt, als erfüllte so eine Art zufriedenes Brummen den Raum, eine kaum wahrnehmbare Schwingung. Es konnte natürlich auch Zufall sein, ich ließ es jedenfalls dabei bewenden. Wozu auch darüber nachdenken, herbeirufen konnte ich ihn ohnehin nicht oder vielleicht hätte ich gekonnt, sah jedoch keine Veranlassung dafür, es auszuprobieren.
    Mit Omi und Papa sprach ich inzwischen fast jeden Tag. Ich musste dafür nicht zum Friedhof gehen, meistens kamen ihre Stimmen, wenn ich ganz für mich war. Ich hatte dann keine Angst mehr und ließ mich fallen. Was genau das war, was da mit mir vor sich ging, darüber

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