Nora Roberts
unmißverständliche Elendsgeräusche aus dem angrenzenden Bad, und ohne zu zögern eilte sie zu Maggie, die stöhnend über der Toilette hing.
»Verdammt, hau ab.« Maggie hob eine schwache Hand, denn gerade kämpfte sie mit einer neuen Woge der Übelkeit. »Kann eine Frau noch nicht mal mehr ungestört kotzen?«
Ohne ein Wort zu sagen, trat Shannon ans Waschbecken und hielt einen Waschlappen unter den Wasserhahn. Maggie war zu beschäftigt mit ihrer Übelkeit, um sich zu wehren, als Shannon ihr den Kopf hielt und ihr den Schweiß von der Stirn zu wischen begann.
»Armer Schatz«, murmelte Shannon, als Maggie schlaff in sich zusammensank. »Was für ein grauenhafter Tagesbeginn! Ruh dich eine Minute aus und hol erst mal wieder richtig Luft.«
»Alles in Ordnung. Verschwinde. Ich komme durchaus allein zurecht.«
»Aber sicher doch. Meinst du, daß du einen Schluck Wasser trinken kannst?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, trat Shannon erneut ans Waschbecken, füllte ein Glas, kam zurück und hielt es Maggie an den Mund. »So ist's richtig, schöne kleine Schlucke. Wahrscheinlich schmeckt's, als trinkst du einen Eimer Waschwasser aus.«
»Dieses Kind wird bestimmt ein wahrer Heiliger.« Da sie nun einmal da war, lehnte Maggie ihren Kopf an Shannons Schulter.
»Warst du schon beim Arzt?« Shannon fuhr Maggie sanft mit dem Lappen über das Gesicht. »Gibt es nichts, was man dagegen nehmen kann?«
»Ich war beim Arzt. Noch ein paar Wochen, sagt er, und schon geht es mir wieder gut. Noch ein paar Wochen«, wiederholte sie, wobei sie erschöpft die Augen schloß. »Um ein Haar hätte ich ihn für diese Antwort umgebracht.«
»Wofür du von keinem Geschworenengericht der Welt – wenn es aus Frauen bestünde – verurteilt worden wärst. Hier, komm, steh auf. Der Fußboden ist zu kalt für dich.«
Zu schwach, um zu widersprechen, ließ Maggie zu, daß sie ihr auf die Beine half und sie zum Bett zurückgeleitete. »Nicht ins Bett. Ich brauche nicht ins Bett. Laß mich nur eine Minute ruhig sitzen.«
»In Ordnung.« Shannon führte sie zu einem Stuhl. »Möchtest du vielleicht einen Tee?«
»Oh.« Erleichtert, weil die Woge der Übelkeit vorüber war, legte Maggie den Kopf in den Nacken und machte die Augen zu. »Sehr gern. Ruf doch bitte einfach über das Telefon da vorne unten in der Küche an und frag, ob man mir vielleicht einen Tee und ein wenig Toast heraufschicken kann. Trocken. Das wäre nett.«
Sie saß reglos da, während ihr Innerstes langsam wieder zur Ruhe kam und der kalte Schweiß auf ihrer Haut trocknete. »Tja«, sagte sie, als Shannon den Hörer auf die Gabel legte. »Das war bestimmt sehr angenehm für dich.«
»Ich schätze, daß es für dich wesentlich schlimmer war.« Nicht ganz sicher, ob sie Maggie allein lassen konnte, nahm Shannon auf der Bettkante Platz.
»Es war nett von dir, daß du mir geholfen hast. Vielen Dank.«
»Bei deinem Gefluche hatte ich nicht gerade den Eindruck, daß du von meiner Hilfe allzu begeistert warst.«
Maggie grinste. »Dafür entschuldige ich mich. Ich hasse es« – sie hob die Hand –, »wenn ich nicht alles unter Kontrolle habe.«
»Ich auch. Weißt du, daß ich genau aus diesem Grund in meinem ganzen Leben nur ein einziges Mal wirklich betrunken war?«
»Nur ein einziges Mal?« Maggies Grinsen wurde durch ein verächtliches Schnauben ersetzt. »Und das, obwohl du so irisch wie der Ring of Kerry bist.«
»Trotzdem, auch wenn es in mancherlei Hinsicht vielleicht durchaus befreiend war, fand ich es im nachhinein einfach peinlich. Irgendwann hatte ich einfach keine Kontrolle mehr über mich. Und dann kam noch das zusätzliche Vergnügen, auf dem Rückweg nach Hause in den Straßengraben zu kotzen und am nächsten Morgen mit einem Gefühl wach zu werden, als hätte man meinen Schädel mit einem Holzknüppel traktiert. Seither finde ich es praktischer, in bezug auf Alkohol eher zurückhaltend zu sein.«
»Ein Glas wärmt die Seele, ein zweites das Hirn. Das hat Dad immer gesagt.«
»Dann war er also in mancherlei Hinsicht auch ein durchaus praktisch denkender Mann.«
»Eigentlich wohl nur in diesem einen Punkt. Du hast seine Augen geerbt.« Während Maggie beobachtete, wie Shannon unbehaglich den Kopf abwandte, kämpfte sie gegen ihren neu aufwallenden Zorn auf ihre Schwester an. »Es tut mir leid, daß du das nicht gerne hörst.«
Und ihr selbst tat es ebenfalls leid, stellte Shannon zu ihrer Überraschung fest. »Meine Mutter und mein Vater hatten
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