Nora Roberts
Brianna. Wirklich wunderbar.«
»Ich wollte, daß dies ein besonderes Zimmer wird. Wenn man aus dem Fenster da drüben sieht, hat man einen herrlichen Blick auf Murphys Farm.«
»Murphy?«
»Oh, er ist ein Freund und Nachbar von uns. Murphy Muldoon. Sein Land fängt direkt hinter meiner Gartenmauer an. Du wirst ihn bestimmt bald kennenlernen. Er kommt relativ oft zu Besuch.« Während sie sprach, rückte Brianna Lampenschirme gerade und zupfte die Bettdecke zurecht. »Dieses Zimmer ist etwas abgelegen, so daß man seine Ruhe hat, und außerdem ist es ein wenig größer als die anderen. Das Bad ist direkt nebenan. Grayson hat ein paar Handbücher gelesen, und dann haben er und Murphy die Entwürfe gemacht.«
»Ich dachte, dieser Murphy wäre ein Farmer.«
»Ist er auch. Aber er ist auch auf vielen anderen Gebieten sehr geschickt.«
»Oh.« Shannons Lächeln wurde noch breiter, als sie den kleinen, strahlend sauberen Raum mit der klauenfüßigen Wanne, dem auf einem Sockel stehenden Waschbecken und den an Messinghaken aufgehängten, duftigen Handtüchern sah. »Wie in einer Puppenstube.«
»Ja, nicht wahr?« Nervöser als gegenüber jedem anderen Gast faltete Brianna die Hände in ihrem Schoß. »Soll ich dir beim Auspacken helfen, oder ruhst du dich lieber erst ein wenig aus?«
»Ich brauche keine Hilfe, vielen Dank. Vielleicht probiere ich erst einmal die Wanne aus.«
»Fühl dich wie zu Hause. In der kleinen Truhe da findest du extra Handtücher und alles andere, was du vielleicht brauchst.« Wieder zögerte sie. »Soll ich dir zum Tee vielleicht eine Kleinigkeit heraufbringen?«
Es wäre das einfachste gewesen, dachte Shannon. Sie hätte allein auf ihrem Zimmer sitzen und so tun können, als wäre sie nicht, wo sie war.
»Nein, ich komme herunter.«
»Laß dir soviel Zeit, wie du brauchst.« Brianna legte Shannon eine Hand auf den Arm, um sie wissen zu lassen, daß diese Bemerkung nicht nur dem gemeinsamen Teetrinken galt. »Ich bin unten, falls du irgend etwas möchtest.«
»Danke.«
Als sich die Tür hinter Brianna schloß, setzte sich Shannon auf die Bettkante, ließ die Schultern hängen und machte die Augen zu.
Sie war in Irland und hatte keine Ahnung, wie es nun weiterging.
5. Kapitel
Wie ist sie denn nun, eure Schwester aus Amerika?« Murphy, der in Briannas Küche ebenso zu Hause war wie in seiner eigenen, nahm sich eins der Sahnetörtchen, die Brianna auf einer Platte zusammenschob.
Er war ein großer Mann mit einem Hang zur Schlaksigkeit. Beim Betreten der Küche hatte er, wie es ihm von seiner Mutter beigebracht worden war, seine Mütze abgenommen und war sich mit den Fingern durchs Haar gefahren, so daß es in wirren dunklen Locken in alle Richtungen stand.
»Nimm die Pfoten weg.« Brianna gab ihm einen Klaps auf die Hand. »Warte, bis die anderen kommen.«
»Aber dann kriege ich vielleicht nicht mehr so viele, wie ich haben will.« Seine dunkelblauen Augen blitzten belustigt auf. »Ist sie so hübsch wie du, Brie?«
»Durch Schmeichelei bekommst du auch kein zweites Törtchen vor dem Tee.« Aber ihre Stimme verriet, daß sie ihm nicht böse war. »Hübsch ist nicht das richtige Wort für sie. Sie ist schön. Ihr Haar ist glatter als das von Maggie, ähnlich wie die Mähne der kastanienbraunen Stute, die du so liebst. Ihre Augen sind wie die von Dad – obwohl sie das bestimmt nicht gerne hören würde –, von einem klaren Grün. Sie ist ungefähr so groß wie ich und schlank. Und – elegant wäre wohl das richtige Wort. Selbst nach der langen Reise sah sie kein bißchen zerknittert aus.«
»Maggie sagt, sie ist arrogant.« Da Brianna die Törtchen hütete wie eine Henne ihre Küken, begnügte sich Murphy mit einer Tasse Tee.
»Sie ist reserviert«, formulierte Brianna es um. »Es ist so, daß Maggie sie einfach nicht mögen will. Außerdem verbirgt sie hinter ihrer Kühlheit eine unverkennbare Traurigkeit.« Was Brianna nur allzugut verstand. »Aber du hättest sie lächeln sehen sollen, als sie zum ersten Mal das Tal gesehen hat.«
»Ist ja auch ein netter Anblick.« Murphy bewegte seine Schultern, während er nach der Teekanne griff. Sein Rücken tat ein bißchen weh, denn seit dem frühen Morgen hatte er gepflügt. Aber es war ein guter Schmerz, ein Schmerz, der verriet, daß er etwas geleistet hatte. »So etwas bekommt sie in New York wohl kaum zu sehen.«
»Immer, wenn du von New York sprichst, hört sich das an, als wäre die Rede von einem anderen Planeten und nicht
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