Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nora Roberts

Nora Roberts

Titel: Nora Roberts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Töchter der See
Vom Netzwerk:
entlangspazieren sieht.« Sie bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick. Immer noch lächelnd, blickte er auf den Baum, der der Auslöser all der Peinlichkeit gewesen war. »Warum haben Sie den Baum nicht gefällt? Schließlich steht er mitten in Ihrem Weizenfeld.«
    »Es macht keine allzu große Mühe, drum herum zu pflügen und zu pflanzen«, sagte er leichthin. »Und außerdem gibt es diesen Baum bereits wesentlich länger als mich.« Im Augen blick allerdings interessierte er sich mehr für sie als für den Baum. Sie verströmte einen leicht sündigen Duft – irgendein verlockend weibliches Parfüm, das einen Mann an tausend Dinge denken ließ. Und war es nicht schön, daß er gerade an sie gedacht hatte, als er über den Hügel gekommen war?
    Sie hatte auf der Mauer gesessen, als warte sie auf ihn. »Ein schöner Morgen für Ihren ersten Tag in Clare. Obwohl es heute nachmittag wohl regnen wird.«
    Brianna hatte bereits dasselbe gesagt, erinnerte sich Shannon und blickte mit gerunzelter Stirn zum leuchtend blauen Himmel hinauf. »Warum sagen Sie das?«
    »Haben Sie den Sonnenaufgang denn nicht gesehen?«
    Noch während sie überlegte, was der Sonnenaufgang mit dem weiteren Verlauf des Wetters zu tun haben könnte, legte Murphy eine Hand unter ihr Kinn und zwang sie sanft, nach Westen zu sehen.
    »Und die Wolken dort«, sagte er. »Die kommen vom Meer. Bis heute nachmittag werden sie über uns sein, und dann fängt der Regen an. Ein leichter Regen. Ohne Wind. Die Luft ist völlig ruhig.«
    Die Hand an ihrem Gesicht war hart wie Stein und weich wie Wasser zugleich. Sie entdeckte, daß er die Gerüche seiner Farm – die Gerüche von Pferden, Erde und Gras – mit sich trug, und beschloß, daß es vernünftiger wäre, sich weiterhin den Himmel anzusehen.
    »Ich nehme an, daß man als Farmer lernen muß, das Wetter vorherzusehen.«
    »Mit lernen hat das nicht viel zu tun. Man weiß es einfach.« Er fuhr mit seinen Fingern durch ihr Haar, ehe er sie auf seine Knie sinken ließ. Ob der geradezu beiläufigen Vertraulichkeit dieser Geste drehte sie den Kopf und sah ihn an.
    Vielleicht saßen sie voneinander abgewandt, vielleicht baumelten ihre Beine auf verschiedenen Seiten von der Mauer, aber ihre Hüften und nun auch ihre Augen hatten Kontakt.
    Seine Augen hatten die Farbe des Glases, das ihre Mutter gesammelt hatte – des Glases, das Shannon sorgsam verpackt mit nach New York genommen hatte. Kobaltblau.
    Die Augen eines Mannes voller Selbstvertrauen, eines Mannes, der mit sich selbst im reinen war, eines Mannes, der, so bemerkte sie verwirrt, gefährliche Gedanken hinter seiner Stirn verbarg.
    Am liebsten hätte er sie geküßt. Hätte sich nach vorn gebeugt und seine Lippen auf ihren Mund gelegt. Einmal. Ohne jede Hast. Wenn sie eine andere Frau gewesen wäre, hätte er es getan. Aber wenn sie eine andere Frau gewesen wäre, hätte er gar nicht erst das Bedürfnis nach dieser Zärtlichkeit verspürt.
    »Sie haben ein Gesicht, Shannon, das sich unmittelbar in die Gedanken eines Mannes pflanzt und dort erblüht.«
    Es war seine Stimme, dachte sie, der melodiöse irische Akzent, der selbst einer so dämlichen Feststellung den Charme eines Gedichts verlieh. Sie blickte fort und wandte sich wieder den grasenden Kühen zu.
    »Den Bildern, die Sie verwenden, hört man immer den Farmer an.«
    »Ich nehme an, das stimmt. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Gehen Sie ein Stück mit mir?«
    »Eigentlich muß ich allmählich zurück.«
    Aber er stand bereits auf und nahm ihre Hand, als wäre er es nicht anders gewohnt. »Es ist nicht weit.« Er bückte sich und pflückte eine sternförmige, blaue Blume, die in einer Spalte der Mauer wuchs. Statt sie ihr wie erwartet zu geben, steckte er sie ihr hinter das Ohr.
    Es war auf lächerliche Weise charmant, und ehe sie sich's versah, ging sie neben ihm. »Müssen Sie denn nicht arbeiten? Ich dachte, ein Farmer hätte ständig zu tun.«
    »Oh, einen kurzen Augenblick habe ich Zeit. Da drüben ist Con.« Murphy hob eine Hand. »Auf Kaninchenjagd.«
    Beim Anblick des geschmeidigen grauen Hundes, der ein Wollknäuel verfolgte, das ein Kaninchen war, lachte sie. Dann allerdings verstärkte sie den Griff um Murphys Hand und sah ihn traurig an. »Er wird es umbringen.«
    »Ja, wenn er es erwischen würde, brächte er es wahrscheinlich um. Aber seine Chancen stehen nicht allzu gut.«
    Jäger und Gejagter hetzten über den Hügel und verschwanden in einer Baumreihe, hinter der Shannon Wasser

Weitere Kostenlose Bücher