Nora Roberts
Mitgefühl, mehr Güte in sich, als Sie es sich in Ihrer engen, kleinen Welt wohl auch nur vorstellen können. Fluchen Sie, soviel Sie wollen, weil es mich gibt, aber lassen Sie meine Mutter aus dem Spiel.«
»Sind Sie etwa den ganzen weiten Weg aus Amerika gekommen, um mir in meinem eigenen Haus vorzuschreiben, was ich tun und lassen soll?«
»Ich bin gekommen, weil man mich eingeladen hat.« Shannon war so blind vor Zorn, daß sie nicht merkte, daß Murphys Hand auf ihrer Schulter lag und die von Gray auf ihrem Arm. »Und weil es einer der letzten Wünsche meiner Mutter war, ehe sie starb. Ich kann es nicht ändern, wenn es Sie stört.«
Langsam erhob sich Maeve von ihrem Platz. Das Mädchen sah ihm wirklich ähnlich, war alles, was sie denken konnte. Was für eine Strafe war es, daß sie das Mädchen anblicken mußte und Tom Concannons Augen sah?
»Du bist in Sünde geboren, Mädchen. Das ist das einzige Erbe, das du von Tom Concannon hast.« Dann wandte sie sich wütend Murphy zu. »Und du, Murphy Muldoon, bringst Schande über deine Familie, indem du dich auf ihre Seite stellst. Du bist ebenso schwach wie jeder andere Mann, denn du denkst, daß sie sich dir, weil sie selbst in Sünde geboren ist, willig hingeben wird.«
Ehe Shannon sich auf Maeve stürzen konnte, verstärkte Murphy seinen Griff. »Seien Sie vorsichtig, Mrs. Concannon.« Seine Stimme klang sanft, aber durch seine starren Fin ger hindurch spürte Shannon die Macht seines Zorns. »Sie sagen da Dinge, die Sie eines Tages bereuen werden. Wenn Sie so von meiner Familie und von Shannon sprechen, sind Sie diejenige, die sich schämen muß, und niemand anderes.«
Sie kniff die Augen zusammen, damit niemand ihre aufsteigenden Tränen sah. »Dann seid ihr also alle gegen mich. Jeder einzelne von euch.«
»Sagen wir, daß wir alle einer Meinung sind, Maeve.« Unmerklich schirmte Rogan seine Frau gegen sie ab. »Wenn du dich beruhigt hast, können wir uns gerne weiter über diese Sache unterhalten, aber im Augenblick hat ein Gespräch wohl keinen Sinn.«
»Es gibt nichts mehr, worüber wir uns unterhalten müßten.« Sie riß ihre Handtasche vom Tisch. »Offenbar habt ihr alle bereits gewählt.«
»Auch du hast eine Wahl«, sagte Gray in ruhigem Ton. »Entweder klammerst du dich weiter an die Vergangenheit, oder du akzeptierst die Gegenwart. Niemand hier hat ein Interesse daran, dir in irgendeiner Weise weh zu tun.«
»Ich erwarte nichts weiter, als daß mein eigen Fleisch und Blut mir gegenüber seine Pflicht erfüllt, aber selbst das ist offenbar zuviel verlangt. Solange diese Person hier weilt, betrete ich nicht noch einmal dieses Haus.« Sie machte kehrt und verließ steifbeinig den Raum.
»Es tut mir leid.« Lottie nahm ihre eigene Tasche. »Sie braucht einfach Zeit.« Mit einem entschuldigenden Nicken in Shannons Richtung eilte sie Maeve hinterher.
Nach einer endlosen Minute des Schweigens stieß Gray einen Seufzer aus. »Tja, das wäre geschafft.« Trotz seines lockeren Tons hatte er den Arm um seine Frau gelegt und rieb ihr besänftigend den Arm. »Was meinst du, Shannon? Vielleicht gehe ich raus und suche eine nette Weidenrute, mit der du dich für deine sündige Existenz geißeln kannst.«
»Ein Drink wäre mir lieber«, hörte sie sich sagen und sah Brianna an. »Entschuldige dich jetzt bloß nicht«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Wag es nicht.«
»Keine Angst«, sagte Maggie, deren Stimme ebenfalls zitterte, und schob Brianna entschlossen in Richtung des Tischs. »Setzt euch, alle. Ich denke, daß jetzt ein Whiskey genau das richtige ist. Murphy, setz den Wasserkessel auf.«
Die Hand immer noch auf Shannons Schulter gelegt, wandte er sich zum Herd. »Ich dachte, wir trinken Whiskey?«
»Ihr trinkt Whiskey, und ich trinke Tee.« Dies war genau der richtige Augenblick, dachte sie. Der perfekte Moment für eine gute Neuigkeit. Mit blitzenden Augen drehte sie sich zu Rogan um. »Schließlich soll man keinen Alkohol trinken, wenn man schwanger ist.«
Er blinzelte, doch dann überzog ein strahlendes Lächeln sein Gesicht. »Du erwartest ein Kind.«
»Zumindest hat das heute morgen der Arzt gesagt.« Sie stemmte die Hände in die Hüften und bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Und, willst du nur dastehen und mich mit großen Augen angucken, bis es soweit ist?«
»Oh nein!« Lachend nahm er sie in die Arme und wirbelte sie in der Küche herum. »Bei Gott, Margaret Mary, ich liebe dich. Schenk den Whiskey ein, Gray. Wir haben
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