Nora Roberts
von Kain und Abel?«
»Ja, vielleicht. Obgleich der mörderische Bruder den Garten geerbt hat, statt daß er aus ihm vertrieben worden ist. Die Familie hieß Concannon, und nachdem einige Zeit vergangen war, heiratete eine der Töchter des vermißten Bruders einen Muldoon. Sie bekamen ein Stückchen Land von ihrem Onkel und bewirtschafteten es gut. Und im Laufe der Jahre wendete sich das Glück. Jetzt gehört das Land den Muldoons, und die Concannons haben nur noch ein kleines Stück am Rand.«
»Und du bist deshalb nicht böse?«
»Weshalb sollte ich? Es ist nur gerecht. Und selbst wenn es das nicht wäre, selbst wenn dieser Bruder vor all den Jahren im Suff ins Moor gefallen ist, dann ist heute Murphy derjenige, der die Felder liebt, wie es meinem Vater niemals möglich war. Hier sind wir. Das ist mein Haus.«
»Es ist wunderschön.« Und das war es tatsächlich, dachte Shannon, während sie es betrachtete. Etwas größer als ein Cottage, überlegte sie, obgleich das Herz des Gebäudes tatsächlich ein altes Häuschen war. Der hübsche Stein, der so typisch für diese Gegend war, ging zwei Stockwerke hinauf. Der interessante Vorsprung in der Fassade deutete darauf hin, daß man den Bau nachträglich erweitert hatte. Und der leuchtende lilafarbene Anstrich von Tür- und Fensterrahmen verriet, daß hier eine Künstlerin zu Hause war.
»Wir haben angebaut, denn Rogan brauchte ein Büro und Liam ein Kinderzimmer.« Maggie wandte sich kopfschüttelnd ab. »Und natürlich hat der Kerl darauf bestanden, daß es gleich ein, zwei weitere Räume gibt. Offensichtlich hat er bereits damals heimlich weitere Kinder geplant.«
»Sieht aus, als würde ihm dieser Wunsch ja nun auch erfüllt.«
»Oh, er ist völlig versessen auf einen ganzen Stall von Kindern. Was vielleicht daran liegt, daß er ein Einzelkind war. Und ich habe festgestellt, daß es mir ganz ähnlich geht. Ich glaube, daß ich eine recht gute Mutter bin, und außerdem erfüllt mich die Mutterrolle mit ungeahntem Stolz. Seltsam, wie ein Mensch alles verändern kann.«
»Mir war bisher nicht klar, wie sehr du ihn liebst«, sagte Shannon leise. »Ich habe dich immer als eine so starke – Persönlichkeit gesehen.«
»Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?« Maggie sah seufzend in Richtung des steinernen Gebäudes, das ihre Werkstatt und somit schon immer ihr Allerheiligstes gewesen war. »Tja, bringen wir's hinter uns. Aber unsere Abmachung beinhaltet nicht, daß du alles anfaßt.«
»Die berühmte irische Gastfreundschaft.«
»Zum Teufel damit.« Grinsend ging Maggie zur Tür und öffnete sie.
Die Hitze war ein Schock, aber der brennende Ofen erklärte das Grollen, das Shannon manchmal noch am anderen Ende des Feldes vernahm. Mit einem Mal empfand sie Schuldgefühle, denn offenbar hielt sie Maggie von der Arbeit ab.
»Tut mir leid. Ich wußte nicht, daB du gerade beschäftigt warst.«
»Es ist nichts Eiliges.«
Das Schuldgefühl hatte allerdings keine Chance gegen die Faszination. Überall auf den Arbeitsbänken und Regalen waren Werkzeuge, Skizzen und noch nicht beendete Arbeiten verstreut. Die breiten Armlehnen des großen Holzstuhls, der in der Mitte des Raumes stand, wiesen eigenartige Schlitze und Vertiefungen auf, und die auf dem Boden herumstehenden Eimer waren mit Wasser und Sand gefüllt.
In einer Ecke lehnten lanzengleiche lange Stäbe aus Metall. »Sind das die Blasrohre?«
»Nein. Du tauchst die Enden dieser Stäbe in das Glas, um es dann im Ofen zum Schmelzen zu bringen. Die Blasrohre verwendet man, wenn man aus dem geschmolzenen Glas eine Kugel formen will.« Maggie nahm eins der Rohre in die Hand. »Und dann schlägst du die Glasblase mit einem Hämmerchen ab.«
»Eine einfache Glasblase.« Shannon blickte begeistert auf die Ranken und Säulen, auf die Schalen und Kegel, die sie in wildem Durcheinander auf den Regalen stehen sah. »Und du machst aus ihr, was immer du willst.«
»Man macht aus ihr, was man fühlt. Dann rollt man die Form erneut in Glas und läßt sie abkühlen. Das ergibt die sogenannte Haut. Ein Großteil der Arbeit besteht darin, daß man sich auf seinen Stuhl setzt und zahllose Male wieder aufsteht, um zum Ofen zurückzugehen. Du mußt dafür sorgen, daß der Stab oder das Rohr ständig in Bewegung bleibt, wobei du die Schwerkraft entweder nutzt oder gegen sie zu kämpfen gezwungen bist.« Maggie legte den Kopf auf die Seite und sah Shannon fragend an. »Willst du es mal probieren?«
Shannon grinste, zu
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