Nora Roberts
zuckersüßer Stimme. »Punkt sieben bin ich fertig«, sagte sie zu
Michael, Davids Grinsen ignorierend.
»Fein.« Er
gab ihr einen schnellen Kuss und erhob sich. »Wir sehen uns morgen, David.
Nett, Sie kennen gelernt zu haben, Mr. Sladerman.«
Kaum hatte
Michael den Salon verlassen, stellte Jessica ihre Tasse auf den Tisch und
sprang auf, als hätte sie schon zu lange an einem Platz gesessen. »Ich mache
mit Ulysses einen Strandspaziergang.«
»Mich
brauchst du dabei nicht anschauen«, meinte David gedehnt. »Ich muss mich
schonen.«
»Dich
wollte ich auch gar nicht fragen. Slade, haben Sie Lust mitzugehen?«
Es wäre ihm
lieber gewesen, eine Weile nicht in ihrer Nähe zu sein. Er unterdrückte einen
resignierten Seufzer und stand auf. »Okay. Ich hole nur schnell meine Jacke.«
Der
Strand war lang und
felsig. Außerhalb der Bucht blies ein scharfer Wind, der den Salzgeruch des
Meeres mitbrachte. Jessica bückte sich lachend nach einem Stück Treibholz und
warf es für Ulysses. Der Hund sauste sofort los, schnappte sich das Holz,
rannte zurück und umkreiste Jessica so lange auf- und abhüpfend, bis sie noch
ein Stück Holz für ihn warf. Zu ihrer Rechten schlugen die Wellen gegen die
Felsen und zerstoben in einem schneeweißen Gischtnebel. Jessica rannte auf ein
anderes Holzstück zu, das sie weiter vorn am Strand erspäht hatte.
Konnte
diese Frau überhaupt langsam gehen?, wunderte sich Slade zum x-ten Mal. Sie
lachte fröhlich und schwenkte das Holzstück über ihrem Kopf wie eine Trophäe,
während Ulysses
ungeschickt danach schnappte. Kontaktieren Sie uns nur, wenn Sie konkrete Anhaltspunkte
haben. Slade rammte die Hände
in die Jackentaschen, als er an seine Anweisungen dachte. Beobachten Sie
die Frau. Das tat er ja, verdammt noch mal!
Und sie faszinierte ihn immer mehr. Er beobachtete, wie sich die Sonne in
ihrem Haar fing. Wie die ausgewaschenen Jeans sich um ihre schmalen Hüften
spannten. Wie sich ihre Mundwinkel kräuselten, wenn sie lächelte ... Wie
Detective Sladerman alles vermasselte, weil ihm eine zierliche Frau mit
brandyfarbenen Augen nicht mehr aus dem Kopf ging.
»Woran
denken Sie gerade?«
Slade kam
mit einem Ruck zu sich und sah Jessica vor sich stehen und ihn aufmerksam
mustern. Lautlos fluchend realisierte
er, dass er dabei war, mehr als nur seine Deckung zu vermasseln, wenn er nicht
aufpasste. »Dass ich schon ewig nicht mehr am Strand spazieren gegangen bin«,
improvisierte er.
Jessica
kniff die Augen zusammen. »Das glaube ich Ihnen nicht«, murmelte sie. »Ich
frage mich, woran es liegt, dass Sie so
verschwiegen sind«, fuhr sie fort und strich sich mit einer fahrigen Geste das
Haar aus der Stirn, das der Wind sofort wieder nach vorn wehte. »Aber das ist
wohl Ihre Sache, nehme ich an.«
Ärgerlich
hob er einen Stein auf und schleuderte ihn in die Brandung. »Und ich frage mich,
weshalb Sie so misstrauisch sind.«
»Neugierig«,
verbesserte sie ihn, ein wenig erstaunt über seine Wortwahl. »Sie sind ein
interessanter Mann, Slade. Das kommt vielleicht daher, weil Sie so wenig von
sich preisgeben.«
»Was wollen
Sie denn wissen? Soll ich Ihnen meine Biografie herunterleiern?«
»Sie sind
schnell eingeschnappt«, bemerkte sie leise.
Er wirbelte
zu ihr herum. »Legen Sie es nicht darauf an, Jess.«
Es freute
sie, diesen Kosenamen aus seinem Munde zu hören – niemand außer ihrem Vater
hatte sie je Jess genannt. Und es freute sie außerdem, dass er offensichtlich
wütend war. Sie hatte das erste Loch in sein Schild gestoßen. »Und wenn ich es
doch täte?«, meinte sie herausfordernd.
»Dann
müssen Sie die Konsequenzen tragen. Höflichkeit zählt nicht zu meinen
Tugenden.«
Sie lachte.
»Ja, das wiederum glaube ich Ihnen aufs Wort. Muss ich jetzt Angst haben?«
Sie spielte
mit ihm. Doch selbst dieses Wissen half ihm wenig. Schlank und aufrecht stand
sie vor ihm, der Wind wehte ihr das Haar ums Gesicht. Ihre Augen waren golden
und blitzten ihn frech an. Nein, sie ließ sich nicht so leicht einschüchtern.
Slade rechtfertigte seinen spontanen Übergriff damit, dass er nur sehen wolle,
ob er sich in ihr nicht getäuscht habe. Und selbst als er sie in die Arme
nahm, glaubte er noch daran. In ihrem Gesicht las er Erwartung, Einverständnis.
Da war keine Spur von Angst. Er verfluchte sie innerlich und presste seinen
Mund hart auf den ihren.
Sie war
genau so, wie er es sich vorgestellt hatte. Weich, süß duftend, nachgiebig. Sie
schmolz wie Wachs in seinen Armen, auch dann
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