Nora Roberts
eine Forderung in seinem Blick?, fragte
sie sich. Eine Frage? Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Was wollte er von ihr?
Und warum war sie bereit, ihm das zu geben, ohne zu wissen, was es überhaupt
war?
»Guten
Morgen, Jessica.« Sie entdeckte die Andeutung eines Lächelns in seinem
Gesicht.
»Michael,
das ist James Sladerman. Er wohnt eine Weile hier und versucht das Chaos in der
Bibliothek ein wenig zu lichten.«
»Kein
einfacher Job, nach dem, was ich gesehen habe«, bemerkte Michael. »Ich hoffe,
Sie haben reichlich Zeit mitgebracht.«
»Genug.«
Wissend,
dass Betsy in Hörweite war, rief sie: »Betsy, könntest du uns Kaffee in den
Salon bringen? Slade, leisten Sie uns Gesellschaft?«
Sie hatte
damit gerechnet, dass er ablehnen würde, doch mit einem trägen Lächeln
erwiderte er: »Warum nicht?« Er brauchte Michael nicht anzusehen, um zu wissen,
dass ihm das gemeinsame Kaffeekränzchen nicht behagte.
»Jessica,
was macht der Queen-Anne hier?«
»Eine
glückliche Fügung des Schicksals«, gab Jessica lachend zurück und setzte sich
aufs Sofa. »Ich wollte dich noch bitten, so
einen Sekretär für mich ausfindig zu machen. Und als ich ihn dann auf der
Versandliste entdeckte, fragte ich mich, ob du telepathische Fähigkeiten
besitzt.«
Michael
betrachtete den Sekretär eine Weile und meinte dann nickend: »Ja, er macht sich
gut hier.« Er setzte sich zu Jessica aufs Sofa; Slade nahm in einem Sessel
Platz. »Alles so weit in Ordnung mit der Lieferung?«
»Ja, es ist
auch schon alles ausgepackt. Stell dir vor, drei Stücke habe ich schon
verkauft; sie werden morgen geliefert.
David war
die ganze letzte Woche krank, aber Slade war gestern so freundlich, mir beim
Auspacken und Platzieren der Möbel zu helfen.«
»Wirklich?«
Michael zog ein dünnes, goldenes Zigarettenetui aus der Tasche, ließ es
aufschnappen und hielt es Slade hin. Der
lehnte mit einem Kopfschütteln ab und zündete sich eine seiner eigenen
Zigaretten an. »Kennen Sie sich mit Antiquitäten aus, Mr. Sladerman?«
»Nein.« Er
beobachtete Michael durch die Rauchwolke, die er eben in die Luft geblasen
hatte. »Abgesehen von der kleinen Einsteigerlektion, die Jessica mir gestern
gegeben hat, bin ich auf diesem Gebiet ein absoluter Laie.«
Michael
lehnte sich zurück und warf lässig einen Arm über die Rückenlehne des Sofas.
»Was machen Sie beruflich?« Seine gepflegten Finger spielten abwesend mit
Jessicas Haaren. Slade zog energisch an seiner Zigarette.
»Ich bin
Schriftsteller.«
»Faszinierend.
Könnte es sein, dass ich schon etwas von Ihnen gelesen habe?«
Er maß
Michael mit einem langen, direkten Blick, ehe er antwortete: »Das glaube ich
nicht.«
»Slade
arbeitet gerade an einem Roman«, schaltete sich Jessica ein. Zwischen den
beiden Männern war eine Spannung entstanden, die ihr nicht gefiel. »Weil wir
gerade dabei sind, Sie haben mir noch gar nicht erzählt, worum es in diesem Roman
geht.«
Slade
interpretierte den Ausdruck in Jessicas Blick als stumme Bitte um Frieden. Noch
nicht, entschied er. Wir wollen erst mal sehen, was wir hier aufrühren können.
»Schmuggel«, erklärte er leichthin. Draußen im Korridor ertönte lautes
Geschirrklappern.
»Verdammt!«
David umfasste das Tablett fester und lächelte Jessica entschuldigend zu.
»Beinahe wäre mir die ganze Schose runtergefallen.«
»David!«
Jessica sprang auf und nahm ihm das Tablett aus der Hand. »Du kannst dich ja
selbst kaum auf den Beinen halten, und dann balancierst du Kaffeetassen durch
die Gegend.« Slade beobachtete, wie David ihr einen zerknirschten Blick
zuwarf, ehe er sich in einen Sessel fallen ließ.
David war
immer noch reichlich blass um die Nase – oder hatte das Wort »Schmuggel« diese
plötzliche Blässe ausgelöst?, überlegte Slade. Auf seiner Stirn, zwischen dem
dichten Pony und dem Rand seiner Brille, schimmerte ein feiner Schweißfilm.
Nachdem sie das Kaffeetablett abgestellt hatte, wandte Jessica sich zu ihm um.
»Wie fühlst
du dich?«
David
machte ein grimmiges Gesicht. »Reg dich bloß nicht auf.«
»Also
schön.« Sie beugte sich so weit zu ihm herab, bis ihre Augen auf gleicher Höhe
waren. »Wenn ich gewusst hätte, was für ein schwieriger Patient du bist, hätte
ich dich mit Buntstiften und einem Malbuch versorgt.«
David
zupfte sie an den Haaren und grinste. »Schenk mir lieber eine Tasse Kaffee ein
und halt den Mund.«
»Sehr wohl,
Sir«, meinte sie und seufzte theatralisch.
Als sie
sich umdrehte, warf David Slade
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