Nora Roberts
haben war nicht der richtige
Ausdruck, gestand er sich ein. Er war in sie verliebt. Wann oder wie das
passiert war, wusste er nicht. Vielleicht schon an diesem allerersten Tag, als
sie die Treppe heruntergestürmt kam? Und es war absolut idiotisch.
Er rieb
sich mit den Händen übers Gesicht. Auch ohne diese ganze Geschichte, in der
sie drinsteckten, war es idiotisch. Sie waren auf verschiedenen Seiten des
Zauns geboren worden. Er hatte kein Recht, sie zu lieben, und durfte auch
nicht hoffen, dass sie seine Liebe erwiderte. Sie brauchte ihn jetzt, als
professionellen Beschützer und als moralischen Beistand. Aber das würde sich
schnell ändern, wenn es vorbei war.
Im
Augenblick wollte er nicht daran denken, wie er mit seinen Gefühlen umgehen
würde, sobald Jessica wieder in Sicherheit war. Zunächst einmal musste er
dafür sorgen, dass es dazu kam. Ganz langsam und mit sehr viel mehr Kraft als
notwendig drückte er seine Zigarette aus, dann ging er nach oben zu ihr.
Sie kamen
gleichzeitig in ihr Schlafzimmer, Jessica aus dem Bad, er vom Flur. Sie war in
eines der cremefarbenen Badetücher mit den hellgrünen Bordüren gewickelt. Das
feuchte Haar fiel
ihr über die Schultern, und der durchdringende Duft von Seife umwehte sie. Ihre
Haut war krebsrot, glühte noch von dem heißen Bad.
Einen
Moment lang standen sie nur da und sahen sich an. Jessica spürte die
Enttäuschung und die Wut, die in ihm brodelte, als er sich umdrehte und die
Tür hinter sich zuzog.
»Bist du in
Ordnung?«
»Ja.« Sie
seufzte leise, weil es beinahe die Wahrheit war. »Es geht mir besser. Und sei
mir nicht mehr böse, Slade.«
»Bitte nicht um das Unmögliche.«
»Also
schön.« Um sich zu beschäftigen, trat sie vor die Frisierkommode und nahm ihre
Bürste zur Hand. »Was machen wir jetzt?«
»Wir warten
ab.« Um dieses Gefühl der Ohnmacht abzublocken, rammte er die geballten Fäuste
in die Jackentaschen. »Du wirst im Haus bleiben. Erzähl den Dienstboten, dass
du krank bist oder müde oder einfach nur faul. Du wirst weder an die Tür gehen,
noch den Telefonhörer abnehmen, noch mit irgendjemandem sprechen, wenn ich
nicht bei dir bin.«
Jessica
knallte die Bürste auf die Frisierkommode und fixierte Slade im Spiegel. »Ich
lass mich nicht in meinem eigenen Haus einsperren.«
»Entweder
hier oder in einer Zelle«, improvisierte er und setzte achselzuckend hinzu.
»Wie es dir lieber ist.«
»Du kannst
mich nicht in eine Zelle stecken.«
»Darauf
würde ich mich an deiner Stelle nicht verlassen.« Er lehnte sich mit dem Rücken
an die Tür und versuchte sich mit aller Kraft zu entspannen. »Du wirst dich
nach meinen Anweisungen richten, Jess. Und zwar von jetzt an und unwiderruflich.
«
Ganz
automatisch setzte sie zu einer protestierenden Antwort an, doch dann
erinnerte sie sich an die grauenvollen Stunden am Strand. Sie setzte nicht nur
ihr eigenes Leben aufs Spiel, erkannte sie, sondern auch das seine. »Du hast
Recht«, murmelte sie. »Verzeih mir.« Plötzlich wirbelte sie herum. »Ich hasse das! Ich hasse das alles!«
»Ich habe
Betsy gesagt, dass du nicht gestört werden möchtest«, entgegnete er ruhig. »Sie
hat sich darauf versteift, dass du
dich bei David angesteckt hast. Lassen wir sie in dem Glauben. Warum legst du
dich nicht noch ein bisschen hin?«
»Geh
nicht«, sagte sie schnell, als er die Hand nach der Klinke ausstreckte.
»Ich werde
unten in der Bibliothek sein. Du musst dich ausruhen, Jess, du bist fix und
fertig.«
»Ich
brauche dich«, verbesserte sie sich und ging zu ihm. »Schlaf mit mir, Slade ...
als wären wir einfach nur ein Mann und eine Frau, die zusammen sein wollen.« Sie
hob die Arme und legte sie um seinen Nacken. »Können wir nicht einfach für ein
paar Stunden daran glauben, dass es wahr ist? Komm, lass uns den restlichen
Vormittag gemeinsam verleben.«
Er legte
seinen Handrücken an ihre Wange, eine Geste, die sie beide ungewöhnlich fanden.
Im Stillen fragte Slade sich, ob sie wusste, dass sein Verlangen genauso groß
war wie das ihre – das Verlangen, sie zu berühren, sich in endlosen Liebesspielen
zu verlieren. Beinahe, dachte er, während er mit den Fingern der Linie ihrer
Wangenknochen folgte. Beinahe hätte er sie verloren.
»Du hast
dunkle Schatten unter den Augen.« Seine Stimme klang rau vor Leidenschaft. »Du
solltest noch ein wenig schlafen.« Doch sein Mund war bereits auf der Suche
nach dem ihren.
Ihre Lippen
begegneten sich – kosend, liebevoll, ermunternd. Jessica
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