Nora Roberts
anderem, der nicht die ganze letzte Woche mit Grippe flach
gelegen ist.«
Jessica
hätte sich am liebsten wieder in seine Arme gestürzt und ihm alles erzählt, was
in ihr brodelte. Stattdessen trat sie einen Schritt zurück, lächelte und
verabscheute sich. »Keine Sorge, es geht mir wirklich gut. Aber ich werde die
nächsten paar Tage einfach etwas langsamer treten.«
»Hast du
den Doktor angerufen?«
»David ...«
Die
Empörung in ihrer Stimme zu hören freute ihn. »Schön, die Situation umgekehrt
zu erleben«, erklärte er Slade. »Zwei Wochen lang hat sie mich mit ihrer
Betulichkeit genervt. Und, hast du?«, fragte er Jessica noch einmal.
»Wenn ich
einen Arzt brauche, dann ruf ich schon einen. Warum bist du nicht im Geschäft?«
»Reg dich
nicht auf, ich fahre gleich wieder hin.« David grinste sie an, erleichtert von
ihrer Frage und ihrem barschen Tonfall. Das klang schon eher nach Jessica.
»Nachdem Mom mich angerufen hatte und mit ihrer Gardinenpredigt fertig war,
wollte ich kurz selbst nach dir sehen. Die Lieferungen sind gestern ohne
Probleme rausgegangen. Viel ist nicht los, aber ich
mache genug Umsatz, um mir mein Gehalt zu verdienen.« Er zupfte sie
freundschaftlich an einer Haarsträhne. »Ich möchte dich bis nächste Woche nicht
im Laden sehen, Kleine. Michael und ich kommen bestens klar. Wirklich, Jessie,
du siehst aus, als ob du eine Erholungspause vertragen könntest.«
»Wenn du
jetzt noch einmal sagst, dass ich furchtbar aussehe, kannst du die
Gehaltserhöhung vergessen, auf die du anspielst.«
»Tja, so
geht es einem, wenn man für eine Frau arbeitet«, meinte David an Slade gewandt
und ging zur Tür. »Mom lässt ausrichten, dass ihr zum Lunch runterkommen sollt.
Diesmal kriegst du die Hühnerbrühe.« Mit einem zufriedenen Grinsen
verließ er die Bibliothek.
Kaum war
die Tür ins Schloss gefallen, presste Jessica beide Hände auf den Mund. Das
Gefühl, das sie durchfuhr, war kein Schmerz, nicht einmal ein Unbehagen,
sondern eine schreckliche Art von Pein, die ihr Herz und ihren Verstand lähmte.
Sie rührte sich nicht und gab keinen Laut von sich. Einen Augenblick lang
glaubte sie, dass sie einfach aufgehört hatte zu existieren.
»Nicht
David.« Ihre eigenen, nur geflüsterten Worte versetzten ihr einen Schock. Und
dieser Schock löste sofort einen Sturzbach von Gefühlen aus. »Nicht David!«, wiederholte sie und schnellte zu Slade herum. »Das kann ich nicht glauben.
Nichts, was du sagst, könnte mich dazu bringen zu glauben, dass er mir wehtun
würde. Dazu ist er nicht fähig, und Michael genauso wenig.«
»In ein
paar Tagen wird alles vorbei sein.« Slade schlug bewusst einen neutralen
Tonfall an. »Dann wirst du es wissen, so oder so.«
»Ich weiß
es jetzt schon!«, rief sie erregt und rannte zur Tür. Stades Hand legte
sich schwer auf die ihre, die bereits die Klinke umfasst hatte.
»Du wirst
ihm nicht nachlaufen«, sagte er ruhig. Als sie versuchte, sich loszureißen,
nahm er sie bei den Schultern, zärtlicher, als ihm zu Mute war. Er hasste es,
sie in diesem Zustand zu sehen, aufgewühlt, verzweifelt – hasste die Gewiss
heit, dass sie sich gegen ihn wenden würde. Aber er hatte keine andere Wahl.
»Du wirst ihm nicht nachlaufen«, sagte er noch
einmal, jedes Wort betonend. »Solange ich dein Wort nicht habe, werde ich dich
ans Bett fesseln und die Tür abschließen.« Er kniff drohend die Brauen
zusammen, als ihre Hand unter der seinen nicht aufhörte zu ziehen. »Ich meine
es ernst, Jess.«
Sie wehrte
sich nicht gegen ihn, sondern suchte Zuflucht bei ihm, und das war für Slade
noch schlimmer. »Nicht David«,
flüsterte sie und schmiegte sich an ihn. »Slade, das ertrage ich nicht. Alles
könnte ich verkraften, nur nicht zu wissen, dass einer der beiden etwas mit dem
zu tun hat, was ... was heute Morgen passiert ist.«
Sie wirkte
so zerbrechlich. Slade befürchtete beinahe, sie würde auseinander brechen, wenn
er nur den leisesten Druck auf sie
ausübte. Was mache ich jetzt mit ihr?, fragte er sich, als er seine
Wange an ihr Haar legte. Er wusste mit ihr umzugehen, wenn sie wütend war.
Auch wenn sie schluchzend in Tränen
ausbrach. Aber wie verhielt er sich, wenn sie völlig kraftlos und erschöpft und
total auf ihn angewiesen war? Sie bat ihn um eine beruhigende Rückversicherung,
die er nicht geben konnte, um Gefühle, die zu zeigen er sich fürchtete.
»Jess, tu
dir das nicht an. Blende diese Gedanken aus, nur für ein paar Tage.« Er hob ihr
Kinn an, bis
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