Nora Roberts
darauf würde ich meinen Kopf nicht verwetten«, entgegnete er
gleichmütig. »Aber mach, was du willst. Im Großen und Ganzen spielt es keine
Rolle, ob du bewusstlos bist oder nicht.« Damit wandte er sich wieder den
Büchern zu und gab sich den Anschein, als sei der Fall für ihn erledigt.
»Verzeih
mir, wenn ich in diesen Dingen nicht so routiniert bin wie du«, begann Jessica
in einem Tonfall, der anfangs noch ruhig klang, doch rasch heftiger wurde. »Es
passiert mir leider nicht jeden Tag, dass ich vom FBI beschattet und von einem
professionellen Killer aufs Korn genommen werde. Aber beim nächsten Mal bin ich
sicherlich in der Lage, mich auf einer Cocktailparty köstlich zu amüsieren,
nachdem ich eine Leiche auf meinem Grundstück gefunden habe. Für dich ist das
Routine, nicht wahr, Slade? Einen Mann zu erschießen?«
In seinem
Magen ballte sich ein harter Knoten zusammen, in seiner Brust ein zweiter.
Lässig klopfte er eine Zigarette aus der Packung und zündete sie an.
Jessicas
Brust hob und senkte sich heftig unter der Bedeutung der Worte, die sie eben
ausgesprochen hatte. »Empfindest du denn gar nichts dabei?«
Slade nahm
einen langen Zug von seiner Zigarette und erwiderte dann ganz ruhig: »Was soll
ich deiner Meinung nach denn empfinden? Wenn ich heute Morgen etwas langsamer
gewesen wäre, wäre ich jetzt tot.«
Jessica
wandte sich hastig ab und presste die Stirn an die Fensterscheibe. Die
Regentropfen, die noch an der Scheibe hafteten, verschwammen vor ihren Augen
und schienen sich zu vervielfachen. Sie wandte sich ab. Und du auch, rief
sie sich in
Erinnerung. Was er getan hatte, hat er für dich getan. »Es tut mir Leid«,
murmelte mir. »Verzeih mir.«
»Warum?«
Seine Stimme war so kalt wie die Glasscheibe und ebenso hart. »Du hast den
Nagel genau auf den Kopf getroffen. «
Jessica
holte tief Luft, ehe sie sich wieder umdrehte und Slade ansah. Ja, die Mauer
war wieder da, aber jetzt kannte sie ihn besser. Was er heute Morgen getan
hatte, war kein kaltblütiger Akt gewesen. »Du hasst es, daran erinnert zu werden,
dass du genauso menschlich bist wie wir auch, habe ich Recht? Es macht dich
wütend, dass auch du von Gefühlen und Bedürfnissen regiert wirst.« Langsam ging
sie auf ihn zu. »Vielleicht rennst du deshalb immer weg, nachdem wir uns
geliebt haben. Hast du Angst, ich könnte eine Schwachstelle bei dir entdecken,
Slade? Einen kleinen Riss, den ich möglicherweise weiter aufbrechen könnte?«
»Pass auf,
wie weit du gehst«, warnte er sie leise. »Der Rückweg könnte dir nicht gefallen.«
»Du
verabscheust es, mich zu begehren, stimmt's?«
Mit einer
bewusst kontrollierten Bewegung drückte Slade seine Zigarette aus. »Ja.«
Als Jessica
den Mund öffnete, um weiterzusprechen, schwang die Tür zur Bibliothek auf. Sie
drehten sich beide abrupt um und sahen David hereinschlendern. Er musterte Jessica
einen Moment und schob die Brille wieder auf die Nase zurück.
»Du siehst
aus wie ein Gespenst? Warum bist du nicht im Bett?«
»David.«
Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht abstellen noch den Drang
unterdrücken, sich in seine Arme zu werfen und ihn fest an sich zu drücken.
David warf Slade einen argwöhnischen Blick über die Schulter hinweg zu, während
er ihr linkisch den Rücken tätschelte.
»Was ist
denn mit dir? Hast du Fieber? Komm, red schon, Jessie.«
Nicht
er, bitte, betete
sie im Stillen. Bitte, lieber Gott, nicht David. Jessica musste ihre ganze
Willenskraft mobilisieren, um die Tränen zurückzudrängen, die ihr in den Augen
brannten.
Schweigend
beobachtete Slade die Szene. Jessica klammerte sich an Davids dünnen Körper
wie an einen Rettungsanker, während er gleichzeitig verwirrt, besorgt und
verlegen im Raum umherblickte. Nachdenklich versenkte Slade seine Hände in den
Taschen.
»Hey, was
ist dennhier los? Ist sie im Fieberwahn?«, wollte David von Slade wissen,
drückte aber Jessica weit genug von sich ab, um ihr ins Gesicht sehen zu
können. »Du siehst aus, also ob du jeden Augenblick zusammenklappst«, stellte
er fest und legte prüfend eine Hand an ihre Stirn. »Mom hat mich im Laden angerufen
und mir die Hölle heiß gemacht, weil ich dich angeblich angesteckt habe.« Er
drehte den Kopf zur Seite und schnitt eine Grimasse. »Das kommt davon, dass du
in mein Zimmer gekommen bist und mir unbedingt diese Hühnerbrühe einflößen
musstest.«
»Mir geht's
gut, David«, brachte sie heraus. »Bin nur ein bisschen müde.«
»Klar,
erzähl das jemand
Weitere Kostenlose Bücher