Nora Roberts
entsprach halb der Wahrheit und war
ohnehin nicht leicht einzugestehen. Doch zuzugeben, dass Albträume sie
terrorisierten, das brachte sie nicht über sich.
»Ich war
nur unten.« Er strich ihr ein paar verschwitzte Strähnen aus der Stirn. »Ich
wollte nur nachsehen, ob auch alle Türen versperrt sind.«
»Die Macht
der Gewohnheit?« Sie brachte beinahe ein Lächeln zu Stande, ehe sie den Kopf
an seine Schulter sinken ließ.
»So
ähnlich.« Selbst als er sie an sich zog, zitterte sie noch. Das war nicht der
rechte Augenblick, um ihr Vorträge über billige
Schlösser und dünne Vorhängeketten zu halten. »Warte, ich werde dir einen
Brandy holen.«
»Nein!« Sie
biss sich auf die Lippen wegen des hastig ausgestoßenen Widerspruchs. »Nein,
bitte, ich komme mir ohnehin schon vor wie ein Idiot.«
»Es ist
doch kein Wunder, dass du mit den Nerven am Ende bist, Jess«, beruhigte sie
Slade und hauchte ihr einen Kuss aufs Haar.
Sie wollte
sich an ihn klammern und ihn anflehen, sie keine Sekunde allein zu lassen. Sie
wollte ihm ihre Ängste, ihre Fantasien
und ihre Panik anvertrauen. Aber das konnte sie nicht, um
ihretwillen und auch um seinetwillen nicht. »Was, mit einem Polizisten im
Haus?«, konterte sie. Sie warf den Kopf zurück
und sah zu ihm hoch. Ein markantes Gesicht, überlegte sie. Starke Arme,
ernsthafter Blick. »Komm ins Bett; du musst todmüde sein.« Mit einiger
Anstrengung gelang es ihr, ihm ein Lächeln zu entbieten. »Wie schafft es ein
Mann, an zwei Karrieren zu arbeiten, Sergeant?«
Er zuckte
die Achseln, während er ihre verkrampften Schultern massierte. »Kein Problem.
Aber wie schafft es eine Frau, um drei Uhr morgens so bezaubernd auszusehen?«
»Meine
Mutter behauptet, es liegt an meinem Knochenbau.« Ihr Lächeln wurde ein wenig
lockerer, als sie sich unter seinen
Händen zu entspannen begann. »Ich persönlich würde eine weniger
wissenschaftliche Erklärung vorziehen ... würde dir lieber antworten, ich sei
während einer Mondfinsternis zur Welt gekommen.«
Slade
unterbrach schmunzelnd seine Nackenmassage. »Und, bist du?«
»Aber
sicher. Mein Vater sagte immer, deshalb hätte ich Katzenaugen – damit ich im
Dunkeln sehen könne.«
Slade
küsste sie zärtlich und stand wieder auf. »Wenn du nicht noch
ein paar Stunden schläfst, werden deine Katzenaugen blutunterlaufen sein.«
»Nein, was
für ein galant vorgebrachter Ratschlag«, meinte sie mit gespielter Empörung.
»Und, was ist mit dir?«
»Ich komme
leicht mit drei Stunden Schlaf aus, wenn es sein muss.«
»Dein
Männlichkeitswahn ist wirklich beeindruckend«, gab sie schnaubend zurück.
Als er den
Kopf drehte, fiel das Mondlicht über sein Gesicht und erhellte sein
jungenhaftes Grinsen, das ihr Herz zu einem aufgeregten Sprung veranlasste.
Sollte sie sich inzwischen nicht schon an ihn gewöhnt haben?, überlegte sie.
An seine verheerenden Launen, den burschikosen Humor, der zuweilen bei diesem
meist zu ernsthaften Mann durchbrach? Sein Körper war schlank und geschmeidig,
stromlinienförmig wie der eines professionellen Schwimmers und muskulös wie der
eines Leichtgewichtboxers. Sein Gesicht spiegelte die Voraussetzungen für
seine beiden Berufe wieder – Intelligenz und Tatkraft.
Er wird
sich um mich kümmern, beruhigte sie ihren Verstand. Vertrau ihm nur. Doch das
Mondlicht unterstrich auch harte Linien in seinem Gesicht, die von Müdigkeit
und körperlicher Erschöpfung herrührten. Und du kümmerst dich um sein Wohl, setzte die innere Stimme hinzu. Lächelnd streckte sie ihm die Arme
entgegen.
»Komm ins
Bett«, forderte sie ihn auf.
Slade legte
sich neben sie und zog sie dicht an sich. Im Augenblick spürte er nicht dieses
dringende Verlangen, sie zu besitzen, sondern nur eine heitere Gelassenheit,
die er umso mehr schätzte, da sie so selten war. In den nächsten Stunden würden
sie ein ganz normales Liebespaar sein, einander verbunden in der Intimität des
Schlafes. Sie schmiegte sich dicht an seinen Körper, suchte seine wohltuende
Wärme und spendete ihm die ihre. Worte waren zwischen ihnen nicht mehr nötig.
Jessica lag
ganz still da, kontrollierte ihren Atem, bis er tief und regelmäßig kam und sie
merkte, dass Slade eingeschlafen war. Mit offenen Augen und von einer
abgrundtiefen Furcht geplagt, die immer noch am Rande ihres Bewusstseins
schwelte, beobachtete sie, wie das Mondlicht seine sich rhythmisch hebenden
und senkenden Schultern beschien. Das Licht nahm bereits den dunstigen Schein
der
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