Nora Roberts
eigenen Schlafzimmertür stehen
sah, die Hand bereits zum Anklopfen zur Faust gekrümmt. Sein Kopf war auf das
Geräusch der knallenden Tür hin herumgeschossen, doch er selbst stand da wie
fest gefroren. Seine Augen musterten sie von oben bis unten, registrierten
Slades Oberhemd, ihre feuchte, erhitzte Haut und die Schatten unter ihren
Augen.
»Wie ich
sehe«, begann er und sein Blick sowie seine Stimme erstarrten zu Eis, »bist du
bereits auf«.
Jessica
spürte, wie ihr noch mehr Blut in die ohnehin schon knallroten Wangen schoss.
Obwohl David und sie sich sehr nahe standen und unter einem Dach lebten, waren
sie sich noch nie unter solchen Umständen begegnet. Beide waren bisher immer
sehr darauf bedacht gewesen, ihre Privatsphäre zu wahren.
Wir sind
doch beide erwachsen, beschwichtigte sich Jessica und ging auf ihn zu – und
sie waren zusammen aufgewachsen.
»Ja, ich
bin schon auf. Brauchst du mich?« Ein Teil von ihr wollte zu ihm hinlaufen, wie
sie es am Tag zuvor getan hatte, der andere Teil traute ihm nicht mehr so
bedingungslos. Und das Wissen darum machte sie nur noch abweisender.
»Ich dachte
nur, ich sehe mal nach dir, ehe ich ins Geschäft fahre, mehr nicht.« Wieder
streifte sie ein kurzer, viel sagender Blick von ihm. »Aber nachdem du
beschäftigt bist ...
»Ich bin
nicht beschäftigt, David. Komm rein.« Mit gelassener Höflichkeit öffnete
Jessica ihre Tür und bedeutete ihm, einzutreten. Es kam ihr keine Sekunde in
den Sinn, dass sie Slades Regel missachtete, indem sie mit David allein sprach.
Und selbst wenn dem so gewesen wäre, hätte sie nicht anders gehandelt. »Gab es
gestern irgendwelche Probleme im Geschäft?«
»Nein ...«
Sein Blick blieb an ihrem Bett haften, das ganz offensichtlich unbenutzt war.
Seine Stimme wurde eine Spur schärfer. »Nein, nichts Wichtiges. Wie es
aussieht, konzentrierst du dich im Augenblick ohnehin auf andere Dinge.«
»Spar dir
den Sarkasmus, David. Der passt nicht zu dir.« Sie wickelte das Handtuch vom
Kopf und warf es aufs Bett. »Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann raus damit«,
setzte sie, zu ihrem Kamm greifend, hinzu und begann ihn durch die nassen Haare
zu ziehen.
»Weißt du,
was du da tust?«, stieß er hervor.
Jessicas
Hand blieb auf halber Haarlänge stehen. Ganz langsam ließ sie den Kamm sinken
und legte ihn zurück auf die Frisierkommode. Dabei fiel ihr Blick auf ihr
Spiegelbild: blass, tiefe Augenringe und recht dürftig bekleidet mit Slades
verknittertem Hemd. »Drück dich etwas genauer aus.«
»Du
schläfst mit dem Schreiberling.« Er schob die Brille hoch und machte einen
Schritt auf sie zu.
»Und wenn
dem so wäre«, gab sie knapp zurück. »Weshalb sollte dich das stören?«
»Was weißt
du überhaupt von ihm?«, verlangte David mit solcher Heftigkeit zu wissen, dass
es Jessica kurz die Sprache verschlug. »Er kommt hier hereingeschneit und das
wahrscheinlich ohne einen Penny in der Tasche. Und hübsch hat er's hier.
Großes Haus, freie Mahlzeiten und eine willige Hausherrin.«
»Sei
vorsichtig, David.« Sie straffte die Schultern, als ihr wütender Blick dem
seinen begegnete.
»Woher
willst du wissen, dass er kein Heiratsschwindler ist? Ein paar Millionen Dollar
können recht verlockend sein.«
Ihre
hitzige Röte verblasste unter dem stechenden Schmerz dieser beleidigenden
Mutmaßung. »Na klar, was könnte ihn wohl sonst an mir interessieren außer mein
Geld?«
Als sie
sich wegdrehen wollte, hielt er sie an den Schultern fest. »Ach, komm, Jessie.«
Der Blick hinter den Brillengläsern wurde sanfter. »Du weißt, dass ich das
nicht so gemeint habe. Aber er ist ein Fremder und du bist ... manchmal zu
vertrauensselig.«
»Bin ich
das, David?« Sie schluckte gegen die plötzlich aufsteigenden Tränen an,
während sie in sein so vertrautes Gesicht blickte. »Habe ich einen Fehler
begangen, indem ich jemandem vertraute?«
»Ich möchte
doch nur nicht, dass dir jemand weh tut.« Er drückte ihre Schultern, ehe er die
Hände sinken ließ. »Du weißt, dass ich dich liebe.« Dieses Eingeständnis schien
ihm Unbehagen zu bereiten, und um es zu überspielen, schob er achselzuckend die
Hände in die Taschen. »Und, verdammt noch mal, Jessie, du weißt, dass Michael
verrückt nach dir ist. Er ist seit Jahren sterbensverliebt in dich.«
»Aber ich
nicht in ihn«, entgegnete sie ruhig. »Ich bin in Slade verliebt.«
»In Slade?
Jessie, du kennst den Kerl doch kaum.«
Davids
wortgewaltiger Ausruf entlockte ihr ein kurzes Lachen.
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