Nora Roberts
hundert
Telefonate tätigen und mit meinem genialen Sohn angeben. Herzlichen
Glückwunsch.«
»Danke«,
war wieder alles, was er herausbrachte. »Mom ...«
»Ja?«
»Kauf ein
neues Klavier.«
Sie lachte.
»Auf Wiedersehen, Slade.«
Slade saß
regungslos da und lauschte eine geschlagene Minute dem Freizeichen.
»Verzeihung,
Mr. Sladerman. Möchten Sie jetzt frühstücken?«
Slade
drehte sich langsam um und starrte Betsy an, als sähe er sie zum ersten Mal.
Sie stand hinter ihm – schwarze Knopfaugen in dem faltigen Gesicht, angegrautes
Haar und kurze, stämmige Beine. Sie duftete schwach nach Silberpolitur und
Lavendelkissen. Das Lächeln, das Slade ihr schenkte, ließ sie einen Schritt
zurückweichen. Es war ein bisschen irre.
»Sie sind
schön.«
Argwöhnisch
wich sie noch einen Schritt zurück. »Sir?«
»Wirklich
wunderschön«, sagte er, packte sie und wirbelte sie in einem weiten Kreis herum
und drückte ihr einen schmatzenden Kuss mitten auf den Mund. Betsy stieß einen
spitzen Schrei aus. Seit zehn Jahren prickelten ihre Lippen zum ersten Mal
wieder.
»Lassen Sie
mich runter und benehmen Sie sich«, herrschte sie ihn an, um ihre Würde wieder
herzustellen.
»Betsy, ich
bin verrückt nach Ihnen.«
»Verrückt,
Punkt«, verbesserte sie ihn und versuchte, sich nicht vom dem Leuchten in
seinen Augen beeindrucken zu lassen. »Typisch Schriftsteller, sich schon vor
dem Frühstück über die Brandyflasche herzumachen. Lassen Sie mich runter, dann
koche ich Ihnen einen schönen schwarzen Kaffee.«
»Ich bin ein Schriftsteller«, erklärte er mit einer Stimme, in der Staunen und
Verwunderung mitschwangen.
»Ja,
gewiss«, meinte sie versöhnlich. »Aber jetzt seien Sie ein guter Junge und
lassen mich los, ja?«
Jessica
blieb wie angewurzelt auf der halben Treppe stehen. War das tatsächlich Slade,
der wie ein Irrer grinste und ihre Haushälterin im Arm hielt? Als er dann Betsy
noch einen Kuss auf die eisern zusammengepressten Lippen drückte, fiel ihr die
Kinnlade runter.
»Slade?«
Er schwang
Betsy, deren Beine noch immer in der Luft baumelten, mit sich herum, als er
sich zu Jessica umdrehte. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, sah er total
glücklich aus, schoss es ihr durch den Kopf. »Du bist als Nächste dran«, verkündete
er und stellte Betsy wieder auf die Füße.
»Blau wie
ein Veilchen«, raunte sie Jessica mit einem wissenden Nicken zu. »Vor dem
Frühstück.«
»Veröffentlicht«,
korrigierte Slade und schnappte sich Jessica. »Vor dem Frühstück.« Seine
Lippen erstickten ihre verwunderte Frage mit einem Kuss, in dem seine Gefühle
wie Blitze zuckten. Intensive, klare Gefühle ohne Wirbel und Unterströmungen.
Sein Glück floss zu ihr über, dass sie lachte, als er ihren Mund wieder
freigab.
»Veröffentlicht?
Dein Roman? Wann? Wie?«
»Ja. Ja.«
Er küsste sie noch einmal, ehe er ihre Fragen beantwortete. »Ich habe gerade
einen Anruf bekommen. Fullbright & Company haben meinen Roman angenommen
und möchten auch das Manuskript sehen, an dem ich gerade arbeite.« Etwas
veränderte sich in seinem Blick, als er sie an sich zog. Jessica sah es nur
ganz kurz. Es war, als dämmerte ihm plötzlich
eine grundlegende Erkenntnis. »Mein Leben gehört jetzt mir«, murmelte er. »Es
gehört endlich mir.«
»Oh,
Slade.« Jessica klammerte sich an ihn, wollte den Augenblick mit ihm teilen.
»Ich freue mich so für dich.« Sie hob den Kopf und nahm sein Gesicht in beide
Hände. »Und das ist erst der Anfang. Jetzt kann dich nichts mehr aufhalten. Ich
spüre es. Betsy, wir brauchen Champagner«, rief sie und schlang die Arme wieder
um Slades Nacken.
»Um neun
Uhr morgens?«, stammelte Betsy sichtlich schockiert.
»Wir
brauchen Champagner um neun Uhr heute Morgen«, erklärte Jessica. »Im
Salon. Wir haben etwas zu feiern.«
Vernehmlich
mit der Zunge schnalzend, watschelte Betsy durch die Halle. Schreiberlinge,
dachte sie, waren kaum besser als Künstler. Und man wusste ja, was für eine
Art Leben die führten. Aber charmant war dieser Kerl, das musste man ihm
lassen. Sie erlaubte sich ein kurzes Schmunzeln, bevor sie in der Küche
verschwand, um die Neuigkeiten an die Köchin weiterzugeben.
»Komm in
den Salon«, drängte Jessica, »und erzähl mir alles ganz genau.«
»Das war
schon alles«, sagte Slade, während Jessica ihn durch die Tür schob. »Sie wollen
mein Buch, das ist das Wichtigste. Nach den Einzelheiten muss ich meinen
Agenten fragen.« Allmählich drang auch die Zahl
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