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Noras Erziehung

Noras Erziehung

Titel: Noras Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica Belle
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indem ich mich bei den Qualifikationsrunden gut behauptete und in das Frauen-Boot auf Position 2 kam. Ich musste allerdings hinnehmen, dass meine Teamkollegen mich seit dem Zusammenstoß mit dem Hausboot nur noch «die Zerstörerin» nannten.
    Das Studentenparlament hatte weiterhin oberste Priorität bei mir, und ich begann nach und nach, mir eine Position zu erarbeiten, von der aus ich zu gegebener Zeit für einen der untergeordneten Posten und später für das Amt der Präsidentin kandidieren konnte. Das hieß, von so vielen Seiten wie möglich so viel Unterstützung wie möglich zu gewinnen, ohne mich dabei so festzulegen, dass ich jemanden vor den Kopf stieß. Das brachte mir zwangsläufig den Ruf einer Mitläuferin ein, aber ich hatte von Anfang an gewusst, dass es dazu kommen würde, und gab mir große Mühe, gerade auch zu meinen Kritikern besonders freundlich zu sein.
    Ich gab mir ebenfalls große Mühe, besonders freundlich zu Giles Lancaster zu sein, denn er war nicht nur Protokollführer, sondern hatte außerdem erheblichen Einfluss. Er behandelte mich zwar nach wie vor ziemlich herablassend, traf sich aber immer öfter mit Stephen. Also blieben mir seine bissigsten Bemerkungen erspart, und ich musste mich gegen keinerlei Annäherungsversuche wehren. Das dachte ich zumindest.
    Er hatte irgendwann angefangen, sich meine Unterstützung für seine diversen Projekte und Kampagnen zu sichern,und bereits angedeutet, dass er mich bei der nächsten Debatte in seinem Team haben wollte. Ich war also keineswegs überrascht, als ich eine Nachricht von ihm in meinem Postfach fand, in der er mich für den Samstag meiner vierten Woche in das Restaurant
The Perch
einlud. Ich hatte mir ein Fahrrad zugelegt und radelte mit einer gewissen Neugierde los. Selbst als ich sah, dass er allein gekommen war, dachte ich mir nichts dabei und nahm seine Einladung gerne an, mich mit ihm an einen Fensterplatz zu setzen, der einen herrlichen Blick auf den Fluss bot. Er hatte bereits eine Flasche Weißwein bestellt und zeigte beim Hinsetzen mit schwungvoller Geste auf den Eiskübel.
    «Ich liebe Oxford. Und du?»
    «Ja, ich glaube schon. Zumindest fange ich langsam an, es zu mögen.»
    «Das ist gut. Für die meisten Studenten bedeutet es nämlich nicht mehr als ein Sprungbrett für ihre Karriere, dass sie hier und nicht in irgendeiner weniger angesehenen Universität studieren. Dabei sollte ein Studium in Oxford doch so viel mehr bedeuten.»
    Ich goss mir einen Drink ein. «Was meinst du damit?»
    «Für einen Mann wie mich ist Oxford ein essenzieller Teil meines Lebens. Genau wie für meinen Vater und davor für seinen Vater. Nur mein Urgroßvater war aus unerfindlichen Gründen auf irgendeinem obskuren Institut in den Fens in Ostengland. Aber mit jeder neuen Generation wird es schwieriger, hier aufgenommen zu werden. Mittlerweile fürchte ich sogar, dass meine eigenen Kinder nicht nur genial sein müssen – was ich natürlich von ihnen erwarte   –, sondern dass sie außerdem noch schlimme Streber sein sollen. Und das fände ich nicht so schön. Es ist wirklich traurig.»
    «Aber Leistung ist doch wohl noch immer das einzig gerechte Kriterium für eine Zulassung, oder nicht?»
    «Sicher. Aber was heißt Leistung? Wenn es dabei lediglich um die Fähigkeit geht, das wiederzukäuen, was uns in der Schule eingetrichtert wurde, dann halte ich gar nichts davon. Man darf die Fähigkeit, etwas zu behalten, nicht mit Intelligenz verwechseln, meine Liebe. Nein, es wäre viel besser, wenn die Streber sich mit Bristol, Durham und ähnlichen Unis begnügen und nur von Oxford träumen würden. Für dich mache ich aber gern eine Ausnahme. Wir brauchen hier schließlich auch etwas fürs Auge. Außerdem meine ich von Mitchell gehört zu haben, dass dein Vater auf dem St.   Boniface College war.»
    «Und Großvater und dessen Vater.»
    «Ein südwestenglisches College für eine südwestenglische Familie. Das finde ich gut.»
    Ihm sah es so gar nicht ähnlich, mir für irgendetwas anderes als mein Aussehen Komplimente zu machen, und ich fragte mich langsam, worauf er hinauswollte. Es war äußerst wahrscheinlich, dass er ein Anliegen hatte. Vielleicht sollte ich meinen Einfluss bei einer der Frauengruppen geltend machen. Ich entschloss mich, ihn ein bisschen zu ärgern. «Weißt du eigentlich, an wen du mich erinnerst, Giles? An Anthony Blanche aus
Wiedersehen in Brideshead

    Seine Reaktion bestand zu meiner Überraschung aus einem Lächeln. «Oh,

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