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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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war der junge Officier vor den Bürgerausschuß geschleppt worden, um James Burbank gegenüber gestellt zu werden. Dieser konnte die Aussagen seines Sohnes nur in allen Stücken bestätigen und versicherte, daß derselbe nur nach dem Castle-House gekommen sei, um dort zum letzten Male seine sterbende Mutter zu sehen. Dieser unzweideutigen Bestätigung gegenüber hätte die Anklage gegen ihn eigentlich schon allein aufgehoben werden müssen, wenn der Ausgang der Untersuchung nicht schon vorher bestimmt gewesen wäre. So traf also dasselbe Urtheil zwei Unschuldige – eine Verurtheilung, welche nur durch persönlichen Haß herbeigeführt und von unwürdigen Richtern bestätigt wurde.
    Die Menschenmenge stürzte inzwischen auf die Verurtheilten zu, so daß es der Miliz nur mit Mähe gelang, diesen über den Platz vor dem Court-Justice Bahn zu brechen.
    Da entstand eine eigenthümliche Bewegung. Miß Alice hatte sich zu James und Gilbert Burbank hindurchgedrängt.

    Unwillkürlich wich der, über dieses unerwartete Dazwischentreten des jungen Mädchens erstaunte Pöbel ein wenig zurück.
    »Alice!…, rief Gilbert.
    – Gilbert… Gilbert!… schluchzte Alice Stannard, die in die Arme des jungen Officiers fiel.
    – Alice… warum bist Du hier?… sagte James Burbank.
    – Um Eure Begnadigung zu erflehen! Um Eure Richter zu erweichen!… Gnade… Gnade für Euch!«
    Die Ausrufe des unglücklichen jungen Mädchens klangen wahrhaft herzzerreißend. Sie hing sich an die Kleider der Verurtheilten, die einen Augenblick stehen geblieben waren. Konnte sie denn von der sie umtobenden zügellosen Menge Mitleid erhoffen? Nein! Ihr Dazwischentreten hatte jedoch mindestens die Wirkung, jene in dem Augenblicke aufzuhalten, wo sie sich vielleicht, trotz der Milizen, zu Gewaltthätigkeiten gegen die Gefangenen, die sie durch ihre Ruhe beleidigten, hinreißen ließ.
    Dazu erschien auch Texar, von dem Vorgefallenen unterrichtet, eben auf der Schwelle des Court-Justice. Ein Zeichen von ihm beschwichtigte die stürmende Menge. Der von ihm wiederholte Befehl, daß James und Gilbert Burbank nach dem Gefängnisse zurückzuführen seien, wurde gehört und beachtet.
    Die Milizabtheilung setzte sich in Bewegung.
    »Gnade!… Gnade!…« rief Miß Alice, die sich vor Texar auf die Knie geworfen hatte.
     

    James Burbank war völlig Herr seiner selbst. (S. 246.)
     
    Der Spanier antwortete nur durch eine abwehrende Handbewegung.
    Da erhob sich das junge Mädchen wieder.
    »Elender!« donnerte sie ihn an.
    Sie wollte sich wieder zu den Verurtheilten gesellen, verlangte, ihnen wieder in’s Gefängniß zu folgen, die letzten Stunden, die Jene noch zu leben hatten, mit ihnen zu theilen…
    Diese waren jedoch schon über den Platz hinaus, und die Volksmenge begleitete sie mit ihrem wüsten Geheul. Das war mehr, als Miß Alice zu ertragen vermochte.
    Die Kräfte verließen sie. Sie wankte und stürzte zusammen. Als Mr. Harvey sie in seinen Armen auffing, hatte sie weder Empfindung noch Bewußtsein mehr.
    Das junge Mädchen kam erst wieder zu sich, als sie schon in das Haus des Herrn Harvey und zu ihrem Vater geschafft worden war.
    »Nach dem Gefängniß! Nach dem Gefängniß!… murmelte sie schwach, wir müssen Beiden entweichen helfen!…
    – Ja, antwortete Stannard, etwas Anderes können wir nicht mehr versuchen…. Doch dazu wollen wir die Nacht abwarten.«
    In der That war auch während des Tages nichts zu thun. Wenn die Dunkelheit ihnen gestatten würde, ohne Besorgniß einer Ueberraschung zu handeln, wollten Mr. Harvey und Mr. Stannard versuchen, mit Hilfe des Wärters eine Flucht der beiden Gefangenen zu ermöglichen. Sie gedachten dazu eine so große Summe Geld bei sich zu führen, welche den Mann – so hofften sie wenigstens – bestimmen könnte, ihren Willen zu thun, zumal da der erste, von der Flottille des Commandanten Stevens donnernde Kanonenschuß der Herrschaft des Spaniers ein Ende zu machen versprach.
     

    Texar hatte sich nach dem Quai begeben. (S. 251.)
     
    Doch als die Nacht gekommen war, als die Herren Stannard und Harvey ihre Absicht auszuführen gedachten, da sahen sie sich gezwungen, darauf zu verzichten. Das Haus erwies sich streng bewacht durch eine starke Abtheilung Milizen, und es wäre unbedingt vergeblich gewesen, dasselbe nur verlassen zu wollen.
Viertes Capitel.
Ein Windstoß von Nordosten.
    Den Verurtheilten winkte jetzt nur noch eine Rettung, eine einzige, die Hoffnung, daß die Föderirten vor Verlauf von

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