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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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einigen Tagen Ruhe wieder erholen, und ich rechne auf Deine besondere Sorgfalt, Zermah, uns dieses kostbare Leben zu erhalten.
    – Nein, ich wiederhole es, Texar, binnen kurzem wird das Kind todt sein, und todt ohne jeden Vortheil für Euch!
    – Ohne Vortheil, versetzte Texar höhnisch, wenn ich das Mädchen fern von seiner sterbenden Mutter und von seinem zur Verzweiflung getriebenen Vater und Bruder halte!
    – Zugegeben, sagte Zermah. Doch Ihr habt Eure Rache wohl hinlänglich gekühlt; Texar, glaubt mir, Ihr würdet mehr Vortheil daraus ziehen, dieses Kind, statt es hier zurückzuhalten, seiner Familie wiederzugeben.
    – Was willst Du damit sagen?
    – Ich will sagen, daß James Burbank nun wohl genug gelitten hat. Jetzt muß Euer eigenes Interesse zu Worte kommen…
    – Mein Interesse?…
    – Ganz sicherlich, Texar, antwortete Zermah, lebhafter werdend. Die Ansiedlung von Camdleß-Bay ist verwüstet worden, Frau Burbank ringt mit dem Tode und ist vielleicht in diesem Augenblicke, wo ich zu Euch spreche, schon nicht mehr unter den Lebenden, ihre Tochter ist verschwunden und deren Vater möchte wohl vergebens versuchen, eine Spur von ihr wiederzufinden. Alle diese Verbrechen, Texar, sind durch Euch begangen worden – das weiß ich! Ich habe das Recht, es Euch in’s Gesicht zu sagen. Doch hütet Euch – einmal kommt noch Alles an’s Licht – und denkt an die strenge Strafe, die Eurer wartet. Ja, schon Euer Interesse erheischt es, Mitleid zu haben. Ich spreche nicht für mich, die mein Gatte bei seiner Rückkehr nicht wieder finden wird – nein, ich spreche nur für die arme Kleine, welche offenbar dem Tode entgegengeht. Behaltet mich hier, wenn Ihr wollt, aber sendet dieses Kind nach Camdleß-Bay; gebt es seiner Mutter zurück! Niemand wird wegen der Vergangenheit von Euch Rechenschaft fordern. Ja, wenn Ihr’s verlangt, wird man Euch die Freigebung des Kindes mit Gold aufwiegen, Texar, und wenn ich mich unterfange, so zu Euch zu reden, so geschieht es, weil ich James Burbank und die Seinigen vom Grunde ihres Herzens kenne. Sie würden gewiß ihr ganzes Vermögen dafür hingeben, dieses Kind zu retten, und ich rufe Gott zum Zeugen an, daß Jene das Versprechen halten werden, welches deren Sclavin Euch hier giebt.
    – Deren Sclavin?… rief Texar ironisch. Es giebt auf Camdleß-Bay ja keine Sclaven mehr.
    – Doch, Texar; denn um bei meinem Herrn bleiben zu können, hab’ ich es nicht angenommen, frei zu sein.
    – Wirklich, Zermah, wirklich! erwiderte der Spanier. Nun, da es Dir doch nicht widersteht, Sclavin zu sein, so könnten wir uns vielleicht verständigen. Es sind jetzt wohl sechs bis sieben Jahre her, seit ich Dich von meinem Freund Tickborn kaufen wollte. Ich hatte auf Dich, und auf Dich allein, eine beträchtliche Summe geboten, und Du würdest mir seit jener Zeit angehören, wenn James Burbank nicht hinzugekommen wäre, um Dich zu erstehen. Jetzt hab’ ich Dich und werde Dich behalten.
    – Thut, was Ihr wollt, Texar, antwortete Zermah, ich werde auch Eure Sclavin sein, doch werdet Ihr dieses Kind nicht zurückgeben?
    – Das Kind James Burbank’s, versetzte Texar mit dem Ausdrucke niedrigsten Hasses, seinem Vater zurückgeben… nimmermehr!
    – Elender! rief Zermah, welche ein gerechter Ingrimm übermannte. Nun wohl, wenn es dessen Vater nicht ist, so wird es Gott sein, der Euch dieses Kind entreißt!«
    Ein Hohnlachen, ein geringschätziges Achselzucken war die ganze Antwort des Spaniers. Er hatte sich eine zweite Cigarrette gedreht, zündete diese ruhig an dem Reste der ersten an, aber entfernte sich, am Canalufer hinschreitend, ohne Zermah ferner eines Blickes zu würdigen.
    Gewiß würde die muthige Mestizin ihn, auch auf die Gefahr hin, von Squambo und seinen Genossen ermordet zu werden, wie ein wildes Thier niedergeschlagen haben, wenn sie nur eine Waffe gehabt hätte.
    Doch jetzt vermochte sie nichts. Regungslos starrte sie auf die Schwarzen, die am hohen Ufer arbeiteten – nirgends ein befreundetes Antlitz, nichts als wilde Gesichter von stumpfsinnigen Geschöpfen, welche dem menschlichen Geschlechte kaum anzugehören schienen. Da kehrte sie in den Wigwam zurück, um bei dem Kinde, das mit schwacher Stimme nach ihr rief, wieder ihre Mutterstelle zu übernehmen. Zermah bemühte sich, das arme kleine Wesen zu beruhigen, das sie in ihre Arme nahm. Ihre Küsse belebten es wieder ein wenig; sie besorgte ihm ein warmes Getränk, das sie auf dem Herde an der Außenseite bereitete,

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