Nord gegen Süd
wieder mehrere Stimmen durch die Finsterniß an und vom Flusse aus antwortete man nach der Landseite hin.
»Achtung auf den Nebel!
– Ja, wir werden den Anker lichten und uns dichter ans Ufer legen.
– Gut, aber bleibt auch in Verbindung mit den anderen Booten auf dem Flusse. Wenn er bei Euch vorüber käme, so benachrichtigt die andern, daß sie, bis sich der Nebel hebt, in allen Richtungen kreuzen.
– Ja… ja!… Fürchtet nur nichts, und paßt Ihr ordentlich auf, im Falle die Schurken auf dem Landwege zu entkommen suchten.«
Allem Anscheine nach wurde jene empfohlene Vorsichtsmaßregel sofort ins Werk gesetzt. Eine gewisse Anzahl Boote übernahm es, von einem Ufer des Flusses zum andern zu kreuzen. Gilbert bemerkte es; er zögerte doch keinen Augenblick. Die von Mars ganz lautlos angetriebene Gig verließ das Blättergewölbe und glitt langsam durch den Wirbel hin.
Der Nebel wurde allmählich noch dichter, obschon bereits ein fahler Tagesschimmer denselben durchdrang, so wie der Lichtschein, der durch die Hornscheibe einer Laterne fällt. Man sah, selbst auf die Entfernung nur weniger Schritte, fast gar nichts mehr. Wenn das kleine Boot unglücklicherweise nicht gegen eines der im Wasser verankerten Fahrzeuge stieß, so hatte es die beste Aussicht, ungesehen davon zu kommen. Das wurde noch wahrscheinlicher, da die feindliche Mannschaft eben im Begriffe war, die Ankerkette empor zu ziehen und das dabei entstehende Geräusch ein wenig den Platz bezeichnete, von dem es sich fern zu halten hatte.
Die Gig schlüpfte also vorüber und Mars konnte seine Pagaie schon etwas kräftiger handhaben.
Die Schwierigkeit lag jetzt nur darin, die geeignete Richtung einzuhalten, ohne sich in die eigentliche Fahrstraße inmitten des Flusses zu verirren, im Gegentheil mußten sich die Flüchtlinge immer in geringer Entfernung vom rechten Ufer halten. Nichts konnte dabei Mars durch den dichten Nebel leiten, außer dem schwachen Murmeln des Wassers, das sich da und dort an hervorstehenden Wurzeln am Rande brach. Schon bemerkte man ein Zunehmen der Tageshelle; ja, über der Dunstmasse wurde es sichtlich klarer, wenn der Nebel auch noch ebenso undurchdringlich über die Oberfläche des Saint-John hinwallte.
Eine halbe Stunde lang irrte, so zu sagen, die Gig auf gut Glück umher. Manchmal erhob sich da und dort eine unklare Silhouette. Man hätte sie für das Bild eines durch die Strahlenbrechung ins Ungeheuerliche vergrößerten Bootes halten können – eine Erscheinung, die man gleichmäßig im Nebel auf dem Meere ganz gewöhnlich beobachtet. In der That zeigt sich den Augen dabei jeder Gegenstand in wahrhaft phantastischer Plötzlichkeit, wenn dieses Wort gestattet ist, und macht den Eindruck, als wäre er von ganz riesigen Größenverhältnissen. Auch hier kam dasselbe häufig genug vor. Zum Glück entpuppte sich, was Gilbert schon für ein Boot hielt, zuletzt als ein Pfahlgestell, vielleicht mit einem quer darüber liegenden Stamme, als ein über das Wasser emporragender Stein oder als ein einzelner im Grunde feststehender kahler Pfahl, dessen Spitze sich schon in der Nebeldecke verlor.
Auch verschiedene Vögel von scheinbar übermäßiger Flügelspannweite rauschten über sie hin, und wenn diese manchmal kaum sichtbar waren, so verriethen sie sich doch durch ihr scharfes Geschrei, das weithin die Luft durchzitterte. Andere wieder flatterten erst von der Wasserfläche in die Höhe, wenn die sich nähernde Gig sie in die Flucht jagte, aber es wäre unmöglich gewesen zu erkennen, ob sie einen Ruhepunkt auf dem nur wenige Schritte entfernten Uferlande suchten, oder ob sie wieder auf das Gewässer des Saint-John niedertauchten
Da die Fluth jedoch immer im Fallen war, war sich Gilbert gewiß, daß die vom Ebbestrome hinabgeführte Gig sich jedenfalls dem Ankerplatze des Commandanten Stevens näherte. Da die Strömung andrerseits aber eine minder heftige geworden war, konnte den jungen Lieutenant nichts darüber aufklären, ob er die abgesperrte Linie schon hinter sich habe; im Gegentheil mußte er befürchten, jetzt auf der Höhe derselben zu sein’ und unerwartet einem feindlichen Boote in die Hände zu gerathen.
Jede Möglichkeit einer ernstlichen Gefahr war demnach noch keineswegs verschwunden; ja, es zeigte sich vielmehr sehr bald, daß die Gig sich in bedrohterer Lage befand, als je vorher. Mars hielt auch in kurzen Zwischenräumen immer einmal an, wobei er seine Pagaie über dem Wasser schweben ließ. Unaufhörlich
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