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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ließen sich nämlich in ziemlich beschränktem Umkreise die tactmäßigen Schläge von Rudern vernehmen und ebenso antworteten Aufrufe aus einem Boote denen aus einem andern. Plötzlich traten die Formen einiger solcher, wenn auch nur mit schwach angedeuteten Umrissen, durch den Nebel hervor. Das waren in Bewegung befindliche Boote, denen es zu entgehen galt. Auch zerrissen jetzt da und dort gelegentlich die Dunstmassen, als dränge ein Strich schärferen Windes in dieselben ein.
    Es war nun ein wenig über fünf Uhr; Gilberts Berechnung nach befanden sie sich noch zwei Meilen vom Ankerplatze; in der That hatte er auch die Barre des Flusses noch nicht überschritten. Diese Barre hätte sich durch das schärfere Geräusch der gurgelnden Wellen und durch lange, sich hinziehende Streifen im Wasser kenntlich gemacht, worüber erfahrene Seeleute sich niemals täuschen können. Hätte er die Barre schon hinter sich gehabt, so würde Gilbert auch geglaubt haben, sich verhältnißmäßig in Sicherheit zu befinden, denn es war nicht anzunehmen, daß die feindlichen kleinen Fahrzeuge sich in dieser Entfernung von Jacksonville in das Feuerbereich der Kanonenboote wagen würden.
    Sich bis fast zur Wasserfläche niederbeugend, lauschten also Beide in höchster Spannung, konnten aber trotz ihres geübten Ohres nichts wahrnehmen. Sie mußten sich augenscheinlich entweder zu weit nach rechts oder nach links auf dem Flusse verirrt haben, und deshalb erschien es am rathsamsten, eine schräge Richtung einzuschlagen, um nach einem der beiden Ufer zu gelangen und dort, wenn es nöthig würde, zu warten, bis der Nebel sich verzog, um dann die geeignete Richtung steuern zu können.
    Offenbar war das der beste Entschluß, da der Nebel schon mehr in die Höhe zu steigen begann. Die darüber ihre Wirkung geltend machende Sonne hob ihn durch allmähliche Erwärmung empor. Allem Anscheine nach mußte die Oberfläche des Saint-John eher in weiter Ausdehnung klar zu überschauen sein, ehe der Himmel selbst sichtbar wurde. Erst später würde dann der Dunstvorhang plötzlich zerreißen und der Horizont ringsum deutlich vor Augen treten. Vielleicht konnte Gilbert dann die eine Meile unterhalb der Barre und mit dem Vordersteven gegen den Ebbestrom liegenden Kanonenboote erkennen und würde es ihm möglich, dieselben in rascher Fahrt zu erreichen.

    In diesem Augenblicke ließ sich das Geräusch an einander klatschenden Wassers vernehmen. Fast gleichzeitig begann die Gig sich um sich selbst zu drehen, als ob sie von einem mächtigen Strudel erfaßt wäre. Eine Täuschung war nicht möglich.
    »Die Barre! rief Gilbert.
    – Ja, die Barre, bestätigte Mars, und wenn wir erst über diese hinweg sind, kommen wir auch bis zum Ankerplatze.«
    Mars hatte wieder seine Pagaie ergriffen und suchte sich in der gewünschten Richtung zu erhalten.
    Plötzlich hemmte Gilbert die Bewegungen des Matrosen. Beim Zurückweichen des Nebels hatte er ein schnell daherruderndes und in der nämlichen Richtung steuerndes Boot erkannt, vermochte aber anfänglich nicht zu sagen, ob die Insassen desselben ihre Gig wahrgenommen und ob sie die Absicht hatten, ihnen die Durchfahrt zu verlegen.
    »Rasch nach Backbord wenden!« rief der junge Lieutenant.
    Mars folgte dem Befehle und mit wenigen Ruderschlägen schoß die Gig in dem angedeuteten Sinne hin.
    Von dieser Seite wurden jedoch mehrere Stimmen laut, welche sich gegenseitig anriefen. Gewiß kreuzten auf diesem Theile des Flusses einige Boote in berechneter Zusammenwirkung.
    Da – mit einem Schlage – als ob ein riesenhafter Besen die Umgebung rein fegte, rieselten die Dünste in pulverfeinen Tröpfchen auf den Saint-John nieder.
    Gilbert konnte einen Schreckensschrei nicht zurückhalten.
    Die Gig schwankte in der Mitte eines ganzen Dutzends feindlicher Boote, beauftragt mit der Ueberwachung dieses Theils des Fahrwassers, in dem die Barre die in Krümmungen verlaufende Durchfahrt schieflinig durchschnitt.
    »Da sind sie!… Da sind sie!«
    So tönte es von allen Seiten und rief die Besatzung der Boote sich von einem zum andern zu.
    »Ja, da sind wir! antwortete stolz der junge Lieutenant. Nun, Mars, Revolver und Seitengewehr in die Hand und wehren wir uns unserer Haut!«
    Das war aber eine Vertheidigung – zwei Mann gegen dreißig!
    Im nächsten Augenblicke lagen schon drei oder vier Boote dicht neben der Gig – einige Schüsse krachten – es waren nur die Revolver Gilberts und Mars’, welche den Mund aufgethan hatten,

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