Nord gegen Süd
ihr eigenes Leben gegolten, so würde Zermah gewiß nicht gezaudert haben; da es aber das Kind war, dem des Indianers schreckliche Waffe drohte, so schwieg sie still. Die Klugheit siegte über die Sehnsucht nach Freiheit.
Vom Verdeck des Dampfers aus konnte übrigens Niemand wahrnehmen, was im Boote unten vorging.
Ein Officier beugte sich über die Commandobrücke herunter und rief den Indianer an. Dabei wurden folgende Worte gewechselt:
»Wohin geht Ihr?
– Nach Picolata.«
Zermah faßte diesen Namen auf, während sie sich doch sagte, daß es in Squambo’s Interesse liege, seine wirkliche Bestimmung nicht zu verrathen.
»Woher kommt Ihr?
– Von Jacksonville.
– Giebt es dort etwas Neues?
– Nein.
– Nichts von der Flottille Dupont’s?
– Nichts.
– Man hat also keine weiteren Nachrichten seit dem Angriffe auf Florida und auf das Fort Clinch?
Jetzt rief man das Boot an… (S. 215.)
– Nein.
– In den eigentlichen Saint-John ist noch kein Kanonenboot eingedrungen?
– Nicht eines.
– Woher rührte der Feuerschein, den wir gesehen, und das Knallen und Krachen, das man vom Norden her vernahm, als wir in Erwartung der Fluth noch vor Anker lagen?
Ein harziger Zweig wurde entzündet. (S. 220.)
– Von einem während letzter Nacht auf die Ansiedlung von Camdleß-Bay gerichteten Angriff.
– Durch die Nordstaatler?
– O nein!… Durch die Miliz von Jacksonville. Der Eigenthümer hatte den Anordnungen des Bürgerausschusses trotzen wollen.
– Gut!… Weiß schon! Es betrifft James Burbank, den eingefleischten Abolitionisten.
– Ganz recht.
– Und wie lief die Sache ab?
– Das weiß ich nicht. Ich habe nur im Vorüberkommen etwas davon gesehen. Mir schien da Alles in hellen Flammen zu stehen!«
In diesem Augenblicke kam über die Lippen des Kindes ein schwacher Schrei… Zermah drückte ihm die Hand auf den Mund, als sich die Finger des Indianers schon dem Halse desselben näherten.
Der ziemlich hoch über ihnen stehende Officier hatte nichts gehört.
»Ist Camdleß-Bay gleich mit Geschützen angegriffen worden? fragte er.
– Das glaub’ ich kaum.
– Was bedeuteten denn die drei Kanonenschläge, die wir gehört haben und die uns von Jacksonville zu kommen schienen?
– Das vermag ich nicht zu sagen.
– Der Saint-John ist demnach von Picolata bis zu seiner Mündung frei?
– Ganz frei, und Ihr könnt ruhig hinunterfahren, ohne von den Kanonenbooten etwas zu fürchten zu haben.
– Es ist gut. – Vorwärts… Vollen Dampf!«
Der Befehl wurde dem Maschinisten hinuntergerufen und der Dampfer begann sich wieder in Bewegung zu setzen.
»Noch um eine Auskunft möcht’ ich bitten, sagte Squambo zu dem Officier.
– Und die wäre?
– Die Nacht ist sehr dunkel… ich finde mich kaum zurecht… könnt’ ich erfahren, wo ich jetzt eigentlich bin?
– Auf der Höhe der Schwarzen Bucht.
– Ich danke.«
Die Schaufeln peitschten die Oberfläche des Flusses, nachdem das Boot sich um einige Faden entfernt hatte. Der Dampfer verschwand allmählich in der Nacht und ließ nur einen Streifen von seinen mächtigen Rädern tief aufgewühlten Wassers hinter sich.
Squambo, jetzt wieder allein auf dem Flusse, setzte sich im Hintertheile des Bootes nieder und ließ weiter rudern. Er kannte jetzt die Oertlichkeit, steuerte nach rechts hinüber und fuhr in den runden Einschnitt ein, in dessen Grund sich die Schwarze Bucht öffnete.
Daß der Indianer sie nach einem Orte führte, dessen Zugang nur sehr schwierig zu finden war, darüber konnte Zermah nicht im Zweifel sein, und es kam gar nicht darauf an, ob ihr das noch besonders gesagt wurde oder nicht.
Vorläufig hätte sie doch keinen Weg gesehen, sich ihrem Herrn mitzutheilen, und Nachforschungen in diesem undurchdringlichen Labyrinth verboten sich fast von selbst. Jenseits der Bucht gewährten dagegen die Waldungen der Grafschaft Duval die Möglichkeit, jede Fährte zu täuschen, für den Fall, daß James Burbank und dessen Freunde es ja unternehmen sollten, die ganze Lagune zu durchstreifen. – Dieser westliche Theil von Florida konnte noch als ziemlich unbekanntes Land bezeichnet werden, auf dem es so gut wie unmöglich war, einer Spur zu folgen; überdies wäre es kaum klug gewesen, sich in diese Gebiete hinein zu wagen.
Die Seminolen, welche auch damals in diesen Wäldern und sumpfigen Landstrichen umherschwärmten, waren jetzt noch immer zu fürchtende Gesellen. Sie beraubten gar zu gern die in ihre Hände
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