Nordfeuer - Kriminalroman
bemerkte
Haie, dem wieder einmal nur der Fall durch den Kopf ging. Der Mord an der Schule
musste endlich aufgeklärt und der Brandstifter gefasst werden.
»Wir sollten warten, bis er sich
meldet«, schaltete sich Marlene in die Überlegungen ein. »Vielleicht ist wirklich
etwas Schlimmes in seiner Familie passiert. Da hat er dann jetzt sicherlich andere
Sachen im Kopf, als den Fall.«
Haie schüttelte
leicht den Kopf. Bei Thamsen stoppte nichts Privates den Ermittlungsdrang. Das konnte
er sich nicht vorstellen. Dirk Thamsen war durch und durch Polizist, den hielt so
leicht nichts von seinen Ermittlungen ab.
Sie hatten das
Ende der Autobahn erreicht und Tom drosselte das Tempo, da es ab Heide auf der Landstraße
weiterging. Schweigend fuhren sie über die B5. Marlene war tief in die Schönheit
der Landschaft versunken und ließ sich nun ganz auf den Gedanken ein, eine verheiratete
Frau zu sein. Vielleicht würden sie auch bald Kinder haben? Sie hatte die Pille
bereits vor einigen Wochen abgesetzt. Eventuell hatte es schon geklappt. Sie faltete
die Hände über ihren Bauch und schaute weiter schweigend aus dem Seitenfenster.
»Was hatte das noch mit diesem Fluss
auf sich?«, fragte Tom unvermittelt, als sie die Arlau überquerten. Er empfand das
Schweigen irgendwie als unangenehm und versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen.
Eigentlich konnten die drei Freunde durchaus zusammen sitzen, ohne ein Wort zu sagen.
Schließlich kannten sie sich sehr gut und ein Zeichen einer tiefen Freundschaft
war immer, wenn man zusammen schweigen konnte. Aber sie kamen von ihrer eigenen
Hochzeit – einem aufregenden und freudigen Ereignis und saßen in dem Wagen wie drei
Trauerklöße.
»Das ist die Kömgrenze«, antwortete
Haie kurz angebunden vom Rücksitz aus.
»Kömgrenze?«
»Ja«, übernahm Marlene nun die etwas
ausführlichere Erklärung. »Nördlich der Arlau wird de geele Köm, südlich de witte
getrunken.«
»Ach ja«, Tom erinnerte sich. »Hat
mir einer aus der neuen Firma schon mal erklärt. Der kommt aus Drelsdorf. Ist das
nicht da, wo vor Jahren mal ein Mädchen verschwunden ist?«
Marlene nickte. Doch die Geschichte
über das damals elfjährige Mädchen, das bis heute als verschwunden galt, empfand
sie nun nicht als geeigneten Gesprächsstoff und wechselte daher schnell das Thema.
»Da hat der Sage nach wohl auch
mal ein Riese gelebt.«
Doch der Geschichte der beiden Riesen
aus der Gegend um Bredstedt, die sich fortwährend darüber stritten, wer von ihnen
der Stärkere sei, verfolgte lediglich Tom gespannt. Haie, der ansonsten immer ein
großes Interesse an alten Erzählungen aus seiner Heimat hatte, war nach wie vor
gedanklich bei dem Mordfall. Der Fall beschäftigte ihn sehr, aber das war auch nicht
verwunderlich. Immerhin war die Leiche quasi in seiner Schule gefunden worden. Sein
Wunsch nach der Aufklärung des Mordes war daher groß. Sicherlich konnte Heiko Stein
etwas dazu beitragen. Wenn er doch nur endlich wieder aufwachen würde. Haie wusste
ja nicht, dass ihnen das vorerst überhaupt nichts nützen würde.
24.
Rudolf Lange hatte Verständnis für die Situation seines Mitarbeiters.
»Ist doch klar, wenn du dich nun
erst einmal um andere Dinge kümmern musst«, hatte er am Telefon gesagt, als Thamsen
ihn am Morgen angerufen hatte.
Anschließend war er zu Iris gefahren
und hatte die Kinder abgeholt. »Müssen wir heute gar nicht in die Schule?«
»Heute nicht.«
Seine Exfrau hatte mit Timo und
Anne bereits über den Tod des Großvaters gesprochen, dennoch stellte insbesondere
Anne natürlich Fragen.
»Kommt Opa nun in den Himmel? Ist
er ein Engel? Zieht Oma jetzt zu uns?«
Ob sein Vater in den Himmel kam?
Dirk Thamsen bezweifelte das stark. Er hatte sich zwar Zeit seines Lebens sicherlich
nichts zuschulden kommen lassen, jedenfalls nichts, was gegen irgendein Gesetz verstieß,
aber ein besonders guter Mensch war er in Dirks Augen dennoch nicht gewesen und
erst recht kein Engel. Nur, das konnte er Anne schlecht sagen.
Was aus seiner Mutter werden sollte,
wusste er auch nicht. Zu ihnen zu ziehen war für ihn keine Option, aber ganz allein
in dem großen Haus zu bleiben, ging seiner Ansicht nach auch nicht. Nur momentan
brauchte er das Thema bei seiner Mutter gar nicht anzuschneiden, denn die war verständlicherweise
mit ganz anderen Dingen beschäftigt.
Bereits übermorgen sollte die Beerdigung
sein.
»Bestimmt kommt Opa in den Himmel.
Wie wär’s, wenn du für Oma zum Trost mal ein
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