Nordmord
sollte in 15 Minuten ablegen. Sie trafen sich am
Fähranleger. Außer ihnen waren jede Menge Herbsturlauber und Leute wie sie
unterwegs, die ein Wochenende auf der nordfriesischen Insel ausspannen wollten.
Das goldene Herbstwetter lud dazu ein.
Nachdem Tom die Reisetasche
in einem der Schließfächer verstaut hatte, gingen sie an Deck. Die Fähre hatte
bereits abgelegt und sie entfernten sich vom Hafen. Über ihnen kreisten ein
paar Möwen. Wenige Meter von ihnen entfernt, fütterten einige Touristen die
Seevögel mit Proviantresten. Das wurde nicht gern gesehen und schon regte sich
eine ältere Dame mit Hut lautstark über die Tierfreunde auf.
Marlene stand an der
Reling, Tom umarmte sie von hinten. Ihr Haar roch nach Lavendel. Er liebte
diesen Duft.
»Meinst du wirklich, dass
es Heike gut geht?«
Sie drehte sich zu ihm
um. Ihr Blick war besorgt, ein paar Falten kräuselten sich auf ihrer Stirn.
Er zog sie an sich.
»Bestimmt. Und nun genießen wir unser Wochenende. Du machst
dir viel zu viele Gedanken.«
»Aber …«
»Psst …« Er legte seinen Zeigefinger auf ihre Lippen, beugte
sich zu ihr hinunter. Sanft berührten seine Lippen ihren Mund. Sie erwiderte
seinen Kuss.
Schweigend standen sie eng aneinander gekuschelt an der
Reling und blickten aufs Meer hinaus. Die Sonne ließ das Wasser wie Diamanten
glitzern. Die Welt erschien so weit, der Horizont unerreichbar.
Nach einem Zwischenstopp in Wyk ging es weiter mit Kurs auf
Wittdün. Marlene entspannte sich langsam. Ihr Lächeln, das er so liebte, kehrte
auf ihre Lippen zurück.
»Warst du überhaupt schon mal auf Amrum?«
Er schüttelte seinen Kopf.
»Und du?«
»Schon oft!«
Sie erzählte, dass sie als Kind häufig mit ihren Eltern die
Ferien auf Amrum verbracht hatte, meistens in Wittdün, hin und wieder auch in
Nebel. Dort hatten sie den Friedhof
besucht, auf dem es eine Menge aus der Seefahrerzeit zu entdecken gab.
»Wenn du willst, zeige ich dir morgen die Insel.«
»Liebend gern!«
Als Dirk Thamsen sich der Brücke näherte, die
über die Lecker Au führte, sah er bereits die ersten Schaulustigen.
Er hatte noch einen Umweg machen müssen, um Anne bei seinen
Eltern abzuliefern. Die Neuigkeit hatte sich jedoch wie ein Lauffeuer
verbreitet. Viele Neugierige waren bereits versammelt und versuchten, einen
Blick auf die Leiche zu erhaschen. Er fragte sich immer wieder, was die
Menschen an einem Unglück so faszinierte.
Er parkte den Wagen am Straßenrand und lief den kleinen Weg
hinter der Bushaltestelle hinunter. Am Gatter stand ein Kollege von der
Schutzpolizei. Er grüßte ihn flüchtig, als dieser ihm das Tor öffnete.
Auf der seichten Erhöhung,
die die Au säumte, stand der Angler, der die Leiche entdeckt hatte. Im Schilf
hatte sie gelegen. Völlig nackt und mit dem Gesicht nach unten. Der Mann, der
eigentlich nur zum Fischfang an die Lecker Au gekommen war, hatte sich selbst
zu Tode erschrocken. Noch nie hatte er einen toten Menschen gesehen. Er war
immer noch aschfahl im Gesicht.
Kommissar Thamsen blickte zu seinen Kollegen am Ufer der Au
hinüber. Einige Mitarbeiter der Spurensicherung und der Notarzt verwehrten ihm
jedoch die freie Sicht. Er griff in seine Jackentasche und holte ein paar
Handschuhe und Schutzüberzieher für seine Schuhe heraus.
Dann holte er tief Luft und lief hinunter zu seinen Kollegen.
Vom Fähranleger in Wittdün hatten sie ein Taxi
genommen. Tom hatte auf die Schnelle noch ein Zimmer im ›Hotel Hüttmann‹ in
Norddorf reserviert. Marlene hatte davon einmal geschwärmt, da es bereits seit
über 100 Jahren bestand und zu einer der ersten Adressen auf der Insel
gehörte.
Die Frau an der Rezeption lächelte ihnen freundlich zu.
»Willkommen in unserem Hause!«
Sie nahm flink die Personalien auf und reichte ihnen gleich
darauf den Zimmerschlüssel.
»Einen angenehmen Aufenthalt. Und wenn Sie etwas zu essen
wünschen – unser Restaurant öffnet in wenigen Minuten.«
Tom nahm die Reisetasche und stieg die Treppe hinauf in den
ersten Stock. Das Zimmer war traumhaft. Ein riesiges Himmelbett dominierte den
Raum. Die blumigen Vorhänge erinnerten Marlene an ihren letzten Aufenthalt in
England.
Schwungvoll ließ sie sich auf das gigantische Bett fallen.
»Ach, ist das schön hier!«
Tom legte sich neben sie.
»Hast recht. Besser könnte es nicht sein. Zwei freie Tage,
ein tolles Hotel, eine traumhafte Frau an meiner Seite und ein solides
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