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Nordmord

Titel: Nordmord Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu.
    »Das ist doch schon Jahre her, Lorchen«, versuchte er, die
kleine, ältere, offensichtlich sehr aufgeregte Dame zu beruhigen. »Und den
Täter haben sie auch schon lang!«
    In den 50er-Jahren hatte es einmal einen Mordfall in der Nähe
des Dorfes gegeben. Damals war eine junge Frau verschwunden. Mit
Suchmannschaften hatte man   die Umgebung
nach ihr durchkämmt. Auch der Mörder hatte sich an den Aktionen beteiligt. Er
hatte wohl gedacht, dass das am unauffälligsten war. Er musste sich sicher
gewesen sein, dass man die Leiche, die er mit einem Selbstbinder beschwert in
der Lecker Au versenkt hatte, nicht finden würde.
    »Nee, die mein ich doch nich! Gestern Nachmittag haben sie
eine aus’m Wasser geholt. Gleich hier die Straße in Herrenkoog raus, bei
Norderwaygaard. Soll böse zugerichtet gewesen sein!«
    Haie wurde es mit einem Mal ganz heiß.
    »Woher weißt du das denn?«
    »Hett Max vertellt. Der war ja da.«
    »Und weiß man auch, wer das war?«
    Die Verkäuferin zuckte mit den Schultern.
    »Irgend so ein junges Ding. Watt weiß ich.«

     
    Nach dem Mittagessen hatten sie sich Fahrräder
ausgeliehen. Marlene wollte gerne eine Tour nach Nebel machen und Tom hatte
sich überreden lassen, was er allerdings bereits bereute. Er war schon ewig
nicht mehr Fahrrad gefahren und der Wind war stärker, als er anfangs gedacht
hatte.
    Marlene radelte jedoch wie ein Radrennprofi und er hatte
Schwierigkeiten, einigermaßen mit ihr mitzuhalten. Völlig außer Atem erreichte
er das Friesendorf.
    Sie besichtigten zunächst
die alte Mühle. Begeistert erzählte Marlene von dem 1771 erbauten,
reetgedeckten Erdholländer. Sie erwies sich wie immer als hervorragende
Fremdenführerin. Er fand es schön, wenn sie ihm die Geschichten rund um
Nordfriesland erzählte, und er bewunderte sie. Er kannte kaum einen Menschen,
der so mitreißend über ein Thema erzählen konnte wie Marlene. Sie schien ein
Bestandteil dieses Landes zu sein und durch sie lernte er, es immer mehr zu
lieben.
    Gegenüber der Mühle lag der Friedhof der Heimatlosen. Durch
die weiße Holzpforte betraten sie die kleine Anlage. Schweigend gingen sie die
Reihen der Gräber entlang, von Holzkreuz zu Holzkreuz.
    »Was ist denn das immer für ein Datum auf den Kreuzen?«
    »Der Tag, an dem der unbekannte Tote am Strand angeschwemmt,
gefunden und geborgen wurde. Alles ungeklärte Schicksale. Opfer der See.«
    Sie hatte sich auf die Bank am Rand der Anlage gesetzt. Aus
ihrer Jackentasche holte sie ihr Handy. Sie hatte es, als sie gestern
losgefahren waren, abgeschaltet. Nun drückte sie auf die Powertaste.
    ›Ein Anruf in Abwesenheit‹ zeigte das Display an.
    »Bestimmt Heike«, sagte Marlene aufgeregt. Doch die Nummer
des Anrufers wurde nicht angezeigt, auf der Mailbox war keine Nachricht
verzeichnet.
    Enttäuscht schaltete sie das Handy wieder aus.
    »Sie wird sich schon melden«, versuchte er sie aufzumuntern.
»Erzähl mir lieber eine Geschichte über Amrum!«
    Sie lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen.
    »Also gut.«
    Sie holte tief Luft und erzählte ihm von den Seeräubern, die
einst zur Winterzeit von Pellworm nach Amrum gekommen waren. Jedenfalls gäbe es
so eine Sage, versicherte sie ihm. Der zufolge hatten die Räuber sich weiße
Hemden über ihre Kleidung gezogen, da sie sich einen Sonntag für ihren Überfall
ausgewählt hatten.
    Während ein Teil der Räuber die Häuser plünderte, bewachte
ein anderer Teil die Kirchgänger.
    »Höchstwahrscheinlich gehörte die Bande dem Seeräuber Cord
Widderich, der lange Zeit auf Pellworm gehaust haben soll.«
    »Meinst du, einer von denen liegt hier?«
    Sie blickte hinüber zu den Gräbern.
    »Warum nicht? Durchaus möglich.«

     
    Nach dem Frühstück hatte Dirk Thamsen zunächst
kurz bei seiner Exfrau vorbeigeschaut. Doch wie bereits seine Mutter berichtet
hatte, war nur Timo da gewesen und der hatte keine Ahnung gehabt, wo seine
Mutter steckte.
    »Ich möchte, dass du zum Mittagessen zu Oma gehst.«
    Der Junge hatte murmelnde Widerworte gegeben.
    »Da gibt es nichts zu
diskutieren. Und morgen besprechen wir, wie das weiter geht mit Mutti und
euch.«
    Er war wütend gewesen.
Wütend auf seine Exfrau, dass sie die Kinder so vernachlässigte, und wütend auf
sich selbst, weil er davon bisher nichts bemerkt hatte.
    Dr. Becker von der Gerichtsmedizin aus Kiel erwartete ihn
schon. Eigentlich hatte Dirk Thamsen absichtlich getrödelt und gehofft, dass
die

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