Nordmord
Kommissar umgehend über Funk zu verständigen und zu
ihnen zu schicken.
»Also, was genau ist passiert?«
Tom erzählte kurz von dem gemeinsamen Spaziergang und dem
mysteriösen Anruf.
»Wann war das?«
»So gegen 19.30 Uhr.«
»Und hat der Anrufer etwas gesagt?«
Die Freunde schüttelten die Köpfe. Marlene sei gar nicht
rangegangen. Sie habe sich beinahe zu Tode erschrocken, als sie plötzlich den
Namen der Freundin auf dem Display gesehen hatte.
»Und wie kommen Sie nun darauf, dass es der Mörder war, der
angerufen hat?«
»Hat die Polizei Heikes Handy gefunden?«
Dirk Thamsen wusste es nicht. Er hatte die Ergebnisse von der
Untersuchung des Wagens noch nicht erhalten und eigentlich rechnete er auch
nicht vor dem nächsten Morgen damit.
»Wenn das Handy nicht bei den Sachen im Auto ist, dann kann
es nur der Mörder haben«, erklärte Haie eifrig ihren Verdacht. »Vielleicht hat
er es einfach mitgenommen.«
»Wieso sollte er das getan haben?«
Die Freunde zuckten mit den Schultern. Dirk Thamsen sah die
Männer an. Ideen hatten sie, das musste er zugeben. Ausschließen konnte man ja
nicht, dass der Täter die Sachen des Opfers mitgenommen hatte. Immerhin fehlte
auch noch die Kleidung der Ermordeten.
»Mal angenommen, der Täter hätte das Handy tatsächlich
mitgenommen. Warum ruft er dann an?«
Ein erneutes Schulterzucken war die Antwort auf seine Frage.
»Aber wenn der Mörder das Handy hat, könnte man es doch
orten, oder?«
Haies Wangen glühten förmlich. Innerlich zog er seinen Hut
vor dem Spürsinn und Enthusiasmus, mit welchem sie an die ganze Sache
herangingen. Sie hatten den Fall schon beinahe besser rekonstruiert als die
Polizei.
»Natürlich besteht die Möglichkeit, den Standort zu
lokalisieren. Vorausgesetzt, der Mörder, wenn er denn wirklich das Handy
mitgenommen und angerufen hat, hat es eingeschaltet.«
»Könnte mir durchaus vorstellen, dass er das Handy benutzt«,
warf Tom ein.
Kommissar Thamsen hob fragend den Blick.
»Vorgestern kam auch eine SMS. Und da war Heike nach Ihren
Angaben ja bereits tot, oder?«
16
Das ›Nordfriesland Tageblatt‹ berichtete
ausführlich über die gefundene Leiche und den Mord. Als Tom beim Bäcker
Brötchen holte, sprang ihm Heikes Bild auf dem Titelblatt förmlich entgegen.
Daneben die provokative Schlagzeile: ›Schon wieder Mord in Risum-Lindholm‹.
Und auch für die Kunden des kleinen Bäckerladens in Lindholm
schien es kein anderes Thema als die Tote aus der Lecker Au zu geben. Die
ältere Dame vor ihm am Tresen spekulierte ausgiebig und laut über den möglichen
Mörder.
»Wer weiß, ob das nicht einer von der Kommune da im Koog war.
Du weißt doch, die da so alternativ auf dem einen Hof hausen.«
Die Wörter ›Kommune‹ und ›alternativ‹ sprach sie betont und
in die Länge gezogen aus. Die Bäckersfrau zuckte mit den Schultern.
Endlich war er an der Reihe. Die Frau hinter dem Tresen
schaute ihn bedauernd an.
»Moin, drei Vollkorn, drei Normale?«
Er nickte und nahm eine Zeitung vom Stapel.
»Schrecklich, nicht?«
Sie packte die Brötchen in eine Tüte, erzählte dabei, dass
ihr Cousin die Leiche gefunden hatte. Sie kannte Tom, wusste, dass er vor
einiger Zeit das Rätsel um das Verschwinden von Britta Johannsen gelöst hatte.
»Was meinst du, ob der Mörder einer aus dem Dorf ist?«
Er zuckte mit den Schultern, obwohl er das eher für
unwahrscheinlich hielt. Wer aus dem Dorf hatte Heike denn gekannt? Und einen
Raubmord oder ein Sexualdelikt schloss ja selbst die Polizei aus. Eine
Vergewaltigung, so habe die Obduktion ergeben, habe nicht stattgefunden, hatte
der Kommissar gestern erzählt. Es musste also etwas mit diesen Unterlagen und
diesem Malte zu tun haben.
Er zahlte und verließ den Laden. Draußen schien die Sonne und
für die Jahreszeit war es schon wieder ungewöhnlich warm. Im Wagen las er
zunächst die Zeitung. Die Presse berichtete ausführlich über den Leichenfund,
es gab sogar ein Interview mit dem Cousin der Bäckersfrau. Allerdings wurde
beim Lesen des Artikels sehr schnell deutlich, dass die Polizei keine konkrete
Spur hatte und nach wie vor im Dunkeln tappte, was das Motiv und den Täter
betraf. Im Lokalteil gab es einen weiteren Artikel, der über den Mord an einer
Frau in den 50er-Jahren berichtete. Haie hatte ihm davon erzählt. Der Titel des
Artikels lautete: ›Geht der Frauenmörder wieder um?‹
Er legte die Zeitung auf den Beifahrersitz und
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