Nordmord
die Spurensuche an der
Soholmer Au leider bisher erfolglos geblieben war.
»Der Regen hat ganze Arbeit geleistet. Wenn es Spuren gegeben
hat, dann sind sie jetzt jedenfalls so gut wie futsch!«
Er zuckte bedauernd mit den Schultern.
»Aber morgen fahren wir noch einmal raus. Das mögliche Gebiet
ist groß, da wir ja den Zeitpunkt, an welchem der Mörder die Sachen in den
Fluss geworfen hat, nur ungenau bestimmen können. Wenn überhaupt.«
»Und was ist mit dem roten Wagen?«, fragte Marlene.
Er schüttelte seinen Kopf. Am späten Nachmittag nach seinem
Besuch bei Professor Voronin hatte er die Schwester von Carsten Schmidt
aufgesucht. Auf dem Hof hatte ein roter Polo gestanden. Natürlich war ihm
sofort der verdächtige Wagen aus dem Herrenkoog in den Sinn gekommen. Aber sie
konnten nicht jedes rote Fahrzeug in Nordfriesland überprüfen. Das war einfach
unmöglich.
»Und wenn Sie eine Suchanzeige schalten oder um sachdienliche
Hinweise in der Zeitung bitten?«
»Dann wäre der Täter gewarnt.«
Nach dem Essen saßen sie noch lange zusammen und spekulierten
über mögliche Ermittlungsansätze. Haie war immer noch fest davon überzeugt,
dass der Täter in Husum zu suchen war. Die Handschuhe und das Treffen im
›Einstein‹ wiesen für ihn eindeutig darauf hin. Wahrscheinlich hatte doch
dieser Malte Nielsen mit dem Mord etwas zu tun.
»Lassen Sie ihn wenigstens beschatten?«
»Es laufen andere Ermittlungen gegen ihn.«
Er ließ den heimlichen DNA-Test unerwähnt und auch die drei
Freunde erzählten nicht, dass Marlene morgen mit Malte Nielsen verabredet war.
Sie verabschiedeten sich auf dem kleinen Parkplatz vor dem
Restaurant und Kommissar Thamsen versprach, sich sofort zu melden, wenn die
Spurensicherung erfolgreich war.
»Und bis dahin keine Alleingänge mehr«, ermahnte er sie.
Die Drei nickten artig.
Zu Hause legte er sich sofort ins Bett. Im
Schein der kleinen Nachttischlampe schlug er das Tagebuch auf.
02.06.1996
Der Abend mit Malte war
echt okay. Allerdings glaube ich, dass er mehr von mir will. Immer wieder
versucht er, mich mit seinen Prahlereien zu beeindrucken. Er habe einen guten
Draht zum Professor, hat er gestern gemeint und könne wegen der Übernahme nach
der Probezeit gerne mal mit ihm sprechen. Ich glaube ja, das ist alles nur
Show. Vielleicht erhofft er sich davon, dass ich ihn geiler finde oder so. Aber
es wird nichts laufen. Der ist nun wirklich nicht mein Typ. Da müsste ich schon
betrunken sein. Aber mit dem Professor könnte er vielleicht mal sprechen, wenn
er denn wirklich so glänzende Connections hat, wie er erzählt. Wäre schon
reichlich entspannter, wenn ich wüsste, dass ich nach der Probezeit hier
bleiben kann. Allerdings werde ich mir dann eine neue Wohnung suchen. Kann ja schließlich
nicht die ganze Zeit meinen Vermieter mit irgendwelchen Fotos erpressen, nur
damit er nicht in meiner Unterwäsche herumwühlt. So, nun rufe ich mal schnell
Marlene an. Vielleicht hat sie heute mal Zeit für mich.
04.06.1996
Also, Malte scheint wirklich eine hervorragende Beziehung
zu Voronin zu haben. Heute hat der Professor mich in sein Büro gerufen und
verkündet, dass er offiziell meine Probezeit vorzeitig beendet, weil er äußerst
zufrieden mit mir ist. Ab jetzt habe ich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Das hat mich glatt umgehauen. Ich hab zuerst gedacht, Voronin hätte irgendetwas
geraucht. Dann habe ich gleich Marlene und anschließend Malte angerufen. Muss
mich jetzt wohl bei ihm erkenntlich zeigen. Fragt sich nur, wie? Hoffentlich
verspricht er sich nicht zu viel von seiner Aktion bei meinem Chef. Ich frage
mich allerdings, was Malte mit Voronin zu schaffen hat. Außer dass er hin und
wieder bei uns aushilft und einige Krankenfahrten übernimmt, haben die doch
nichts miteinander zu tun. Was sind das überhaupt für Fahrten? Angeblich
irgendwelche Patienten, die verlegt werden, hat Malte mal erzählt. Aber wohin?
Merkwürdig ist das. Nächste Woche sei auch wieder eine Fahrt geplant, hat er
gesagt. Mal sehen, ob ich mehr erfahre.
28
Ihr Mund war wie ausgetrocknet. Ein unendlicher
Durst quälte sie, ein Durst, wie sie ihn bisher noch nie erlebt hatte.
Sie schlug die Augen auf und benötigte einige Sekunden, ehe
sie erkannte, dass sie wieder in dem Zimmer mit den vielen Matratzen lag. Es
war bereits dunkel draußen, in einer Ecke des Raumes brannte eine Stehlampe,
darunter saß ein Junge. Seine
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