Nordmord
dass sie neu besetzt wurde. Die Bewerbungsunterlagen hatten sehr gut
ausgesehen, nur die besten Referenzen. Der Kandidat hatte sich aber nur am
Samstag vorstellen können, weshalb der Professor heute gekommen war. Für
gewöhnlich pflegte er, die Klinik zwischen Freitagmittag und Montagmorgen nicht
zu betreten.
Müde rieb er sich die Augen. Die gestrige Operation war
schwierig gewesen. Es waren Komplikationen aufgetreten. Anschließend war er so
aufgewühlt gewesen, dass er in die Spielhalle gefahren war, um sich ein wenig
abzulenken. Dort hatte er wieder einmal kein Ende finden können.
Es klopfte an der Tür. Kommissar Thamsen betrat sein Büro. Er
hatte noch ein paar Fragen. Widerwillig bot Voronin ihm an, Platz zu nehmen.
»Sagen Ihnen die Namen Carsten Schmidt, Marten Feddersen oder
Mona Hansen etwas?«
Der Professor verneinte. Über Patienten dürfe er sowieso
keinerlei Auskünfte geben.
»Also waren diese Personen bei Ihnen in Behandlung?«
Voronin begann, zu schwitzen. Hastig versuchte er, das Thema
zu wechseln.
»Hatten Sie nicht Fragen zu Heike Andresen?«
Dirk Thamsen bemerkte die Nervosität seines Gegenübers und
bohrte weiter.
»Carsten Schmidt bekam Anfang des Jahres eine neue Niere.
Waren Sie der behandelnde Arzt?«
Darüber dürfe er nun
wirklich keine Auskunft erteilen, wiegelte er ab. Und was das denn mit dem Mord
an seiner Mitarbeiterin zu tun habe. Transplantationen gäbe es schließlich
jeden Tag, das sei im Gegensatz zu einem Mord wohl nichts Ungewöhnliches. Was
denn die Polizei tue, um das Verbrechen aufzuklären, welches an Heike Andresen
verübt wurde? Man könne als rechtschaffener Bürger ja wohl verlangen, dass die Polizei
ihre Arbeit erledige und nicht in Angelegenheiten herumstochere, die für die
Aufklärung des Mordes in seinen Augen keinerlei Relevanz hätten. Er stand auf
und ging hinüber zur Tür.
»Wenn Sie keine weiteren Fragen haben. Ich habe noch zu tun!«
Kommissar Thamsen wurde das Gefühl nicht los, dass der
Professor die Namen sehr wohl kannte. Wahrscheinlich sogar sehr gut. Für ihn
sah es so aus, als handelte Voronin nach dem Motto: ›Angriff ist die beste
Verteidigung‹.
Er erhob sich und schaute dem Arzt eindringlich in die Augen.
»Eine Frage hätte ich noch. Wo waren Sie am Montag zwischen
23 Uhr und Dienstag 12 Uhr?«
»Marlene Schumann?«, meldete sie sich beim dritten Klingeln
ihres Handys. Die Nummer des Anrufers wurde nicht angezeigt, aber sie hatte
geahnt, dass es Malte Nielsen war.
»Du willst mich treffen?«
Seine Stimme klang misstrauisch. Ob er ahnte, dass sie ihn
verdächtigte? Sie bemühte sich, möglichst gleichgültig zu klingen, als sie ihm
antwortete, dass sie ihn gern wiedersehen wollte.
»Wieso?«
Sie holte tief Luft, ehe sie ihm die zurechtgelegte Lüge
auftischte. Tom traute seinen Ohren kaum, als sie mit angenehmer Stimme
säuselte, dass sie Malte sehr attraktiv und sympathisch fände. Sie klang so
überzeugend, er hätte ihr geglaubt. Und auch Haie nickte anerkennend.
Malte hingegen war nicht so schnell zu überzeugen. Es kostete
sie etliche Mühe, mit ausgedachten Komplimenten sein männliches Ego einzulullen
und ihn zu einem Treffen zu bewegen. Schließlich lenkte er ein und sie atmete
innerlich auf.
»Na schön, sagen wir, morgen um 12 Uhr im ›Fährhaus‹ in
Schlüttsiel.«
Tom war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob es wirklich eine
gute Idee war, dass Marlene den Krankenpfleger noch einmal traf. Wie konnten
Haie und er im ›Fährhaus‹ unauffällig in ihrer Nähe bleiben? Allein würde er
sie diesmal auf gar keinen Fall dorthin gehen lassen. Was aber, wenn dieser
Malte sie bemerkte? War Marlene dann nicht in noch viel größerer Gefahr?
»Sollten wir nicht
Kommissar Thamsen von dem Treffen erzählen?«
»Auf gar keinen Fall!«, wehrte sie vehement ab.
Sie trafen
bereits eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit in dem griechischen
Restaurant ein. Der Wirt erkannte Tom und Marlene sofort wieder und wies ihnen
seinen besten Tisch zu. Die Getränke gingen heute aufs Haus, meinte er. Haie
blickte etwas verwundert, bis sie ihm von ihrem letzten Besuch in der Taverne
erzählten.
»Der Kommissar? Hackedicht?«
Er saß mit dem Rücken zum Gang und hatte Dirk Thamsen nicht
kommen sehen.
»Ja, das passiert auch schon mal einem Polizisten.«
Thamsen begrüßte die kleine Runde und setzte sich. Er
wechselte geschickt das Thema, indem er erzählte, dass
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