Nordmord
Knie hatte er bis zum Kinn angezogen, die Arme um
seine Beine geschlungen. Er starrte zu ihr hinüber.
Sie versuchte, sich aufzusetzen, doch plötzlich durchdrang
sie ein spitzer Schmerz. Sie blickte an ihrem Körper hinab und sah einen
blutigen Verband, der sich von ihrem Bauch an ihrer rechten Körperseite entlang
bis zum Rücken zog. Sie erschrak. Was war geschehen? Sie konnte sich nicht
erinnern. Alles, was sie wusste, war, dass sie auf diesem Metalltisch gelegen
hatte und plötzlich einen Stich verspürt hatte. Dann war es dunkel um sie herum
geworden. Und nun lag sie hier so wie das andere Mädchen, welches bei ihrem
Eintreffen ebenfalls hier gelegen hatte und das irgendwann verschwunden war.
Die Tür wurde plötzlich geöffnet, der Junge zuckte zusammen.
Die Frau, welche Irina bereits kannte, kniete sich neben sie und gab ihr einen
winzigen Schluck Wasser. Gierig trank sie, hob ihren Kopf weiter an, verlangte
nach mehr. Ihr Durst war kaum zu ertragen, doch die Frau entzog ihr das Glas
und reichte es dem Jungen. Mit eifersüchtigen Blicken verfolgte sie, wie er den
Rest des Wassers zu sich nahm und anschließend der Frau das Glas zurückgab.
Nachdem sie wieder alleine waren, versuchte Irina,
herauszufinden, wer der Junge war. Das Sprechen strengte sie an, sie stöhnte.
Der Junge blickte verängstigt, begann, zu weinen. Sie schloss die Augen und
spürte, dass auch auf ihrer Wange eine Träne einsam ihre Bahnen zog.
»Wo Haie nur bleibt?«
Marlene lief unruhig im Hausflur auf und ab. Sie war früh am
Morgen aufgestanden, hatte sich sorgfältig geschminkt und bereits ihren Mantel
angezogen. Seit über einer Stunde stand sie abmarschbereit in dem engen Gang
zwischen Haustür und Küche.
»Wir haben jede Menge Zeit!«, versuchte Tom, sie zu
beruhigen. Er war zwar selbst ein wenig nervös, versuchte aber, sich nichts
anmerken zu lassen.
Endlich sah sie den Freund mit dem Fahrrad den kleinen Weg
zum Haus hochradeln. Sie nahm ihre Handtasche und trat vor die Tür.
Hoffentlich beging sie keinen Fehler. Man wusste ja nicht,
wie Malte reagieren würde. Ob er ihr das Interesse an seiner Person überhaupt
abkaufte? Vielleicht spielte er nur mit ihr. Immerhin kam er als der Mörder
ihrer Freundin in Frage. Vielleicht war er gefährlich. Was, wenn etwas schief
ging und er auch sie …
Sie schloss die Augen und schluckte kräftig. Da musste sie
nun durch, das war sie Heike schuldig. Wer immer ihrer Freundin das Leben
genommen hatte, er musste dafür bestraft werden. Sie straffte ihre Schultern
und setzte ein gequältes Lächeln auf.
»Guten Morgen, lieber Haie. Bist du fertig?«
Malte hatte schlecht geschlafen. Immer wieder
hatte er darüber nachgedacht, warum diese Marlene ihn treffen wollte. War sie
wirklich an ihm interessiert? Oder wollte man ihm eine Falle stellen?
Er hatte sich in seinem Bett von einer Seite auf die andere
gedreht. Irgendwann musste er eingeschlafen sein. Als er die Augen aufschlug,
fühlte er sich wie gerädert. Er griff nach einer Zigarette und zündete sie an.
Sollte er nun zu diesem Treffen fahren? Vielleicht war die Kleine wirklich heiß
auf ihn und er ließ sich eine schnelle Nummer entgehen? Seine Hand wanderte
unter der Bettdecke zu seinem Penis. Doch auch nach minutenlangem Reiben wollte
sich keine Erektion einstellen, sein Kopf war einfach nicht frei. Zu sehr
beschäftigte ihn die Frage, was Heikes Freundin wohl mit dieser Verabredung
beabsichtigte.
Er stand auf und ging ins Bad. Flüchtig wusch er sich das
Gesicht, spülte den Mund mit etwas Mundwasser aus.
Bevor er die Wohnung verließ, vergewisserte er sich mit einem
Blick aus dem Fenster, dass niemand ihn beobachtete.
Sein Auto stand etwas weiter entfernt. Er startete den Motor
und fuhr in Richtung Norden.
Sie parkten den Wagen auf der anderen Seite der
Straße. Der Wind wehte kräftig vom Meer, es waren nur wenige Leute unterwegs.
Wie besprochen, machte Marlene sich sofort auf den Weg zum
›Fährhaus‹. Malte sollte sie auf gar keinen Fall zusammen sehen. Sie waren
deshalb extra eine Stunde früher als verabredet nach Schlüttsiel gefahren. Als
sie das Gasthaus betrat, blickten einige der anwesenden Gäste auf. Malte war
noch nicht da. Sie wählte einen Tisch am Fenster und bestellte eine heiße
Schokolade.
Der Wind peitschte die Wellen. Wolken rasten am Himmel vorbei.
Die Schiffe im Hafen schaukelten wild hin und her. In einiger Entfernung konnte
sie Tom
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