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Nordmord

Titel: Nordmord Kostenlos Bücher Online Lesen
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versuchte, Marlenes Blick
aufzufangen, doch der hing wie festgeschweißt an Maltes Lippen, der ohne
Unterbrechung redete und redete.
    Fragend blickte er seinen Freund an. Der zuckte jedoch nur
mit den Schultern. Als sie das Restaurant verließen, drehte Marlene sich für
den Bruchteil einer Sekunde um. Angst lag in ihrem Blick. Angst und
Verzweiflung.

29

     
    Dirk Thamsen
klingelte. Es war das letzte Haus in dem kleinen Ort und er hatte wenig
Hoffnung, dass die Bewohner ihm wichtige Hinweise geben konnten. Er hatte
bereits an so vielen Türen geklopft und geschellt, aber jedes Mal, wenn er die
Bilder hochgehalten hatte, war ein ratloses Kopfschütteln die Antwort gewesen.
Bei dem Jungen waren einige sich zwar nicht sicher gewesen, aber den Mann hatte
bisher anscheinend noch niemand gesehen. Oder aber das Bild sah doch so
gewöhnlich aus, dass die Befragten Angst hatten, eine falsche Person zu
belasten. Die Tür wurde geöffnet, eine dunkelhäutige Frau mit langen Haaren
stand vor ihm. Fragend blickte sie ihn an. Ein Reflex ließ ihn plötzlich sehr
langsam und deutlich sprechen. Er betonte jedes einzelne Wort, so, als könne er
durch seine Sprechart eventuell vorhandene Sprachbarrieren überwinden.
    Die Frau betrachtete zunächst das Bild des Jungen, schüttelte
allerdings bereits nach wenigen Sekunden den Kopf. Das Phantombild schaute sie
sich lange an, ehe sie mit dem Kopf nickte und in einem perfekten Deutsch
antwortete:
    »Ja, den Mann habe ich schon mal gesehen.«
    Dirk Thamsen traute seinen Ohren kaum.
    »Sind Sie sich sicher?«
    Die Frau nickte. Sie habe den Mann vor ein paar Wochen beim
Einkaufen getroffen. Er sei ihr aufgefallen, weil er an der Kasse ihren Sohn
angesprochen hatte.
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass er ihm Gesundheit wünscht.«

     
    Tom und Haie waren sofort, nachdem Malte und
Marlene das Restaurant verlassen hatten, aufgestanden und den beiden gefolgt.
Draußen heulte der Wind, es hatte wieder angefangen, zu regnen. Weit und breit
war niemand zu sehen. Sie trennten sich, jeder ging in eine andere Richtung, um
nach ihnen Ausschau zu halten.
    Haie ging zum Fähranleger hinunter, während Tom zum Parkplatz
lief. Plötzlich sah er in einem vorbeifahrenden PKW Marlene sitzen. Er rannte
den Deich hinauf, rief und pfiff, machte Haie wilde Zeichen. Als dieser die
kleine Treppe hinuntergeeilt kam, stand Tom bereits mit laufendem Motor auf der
Straße. Die Beifahrertür war noch nicht ins Schloss gefallen, da gab er auch
schon Gas.
    Mit über 100 Stundenkilometern raste er die Straße am
Außendeich entlang. Kurz vor Ockholm sahen sie Maltes Wagen. Er bog Richtung
Bongsiel ab. Sie folgten ihm in sicherem Abstand. Vor Toms inneres Auge schob
sich immer wieder Marlenes ängstlicher Blick. Sein Herz raste. Was, wenn dieser
Malte ihr etwas antat? Er wollte sich das lieber nicht vorstellen.
    Sie erreichten den Blomenkoog.
    »Die fahren zum Tatort!«, rief Haie plötzlich.
    Tatsächlich. Malte stoppte an der Bushaltestelle, die Türen
wurden geöffnet. Tom fuhr langsam weiter. Hinter dem Bauernhof parkte er in
einer Kurve. Sie stiegen aus und versteckten sich im angrenzenden Schilf.

     
    Dirk Thamsen war auf dem Weg zu seinen Eltern.
    Nach
der Befragung war er kurz zur Dienststelle gefahren, hatte mit seinen Kollegen
die weitere Vorgehensweise besprochen. Er war sich unschlüssig, ob sie mit dem
Phantombild und den Erkenntnissen über den roten Wagen an die Presse gehen
sollten. Zwar hatte immerhin eine der Befragten den Mann erkannt, wusste aber
weder seinen Namen noch, wo er zu finden war.
    Wenn sie das Bild veröffentlichten, könnte das den Täter
warnen. Momentan wiegte er sich vermutlich in Sicherheit. Wenn er sich jedoch
in der Zeitung wiedererkannte und womöglich von einem verdächtigten roten PKW
in der Zeitung las, konnte es sein, dass er untertauchte. Auf jeden Fall würde
es ihn nervös machen und die Chance, dass er einen Fehler beging, vergrößern.
    Seine Mutter öffnete ihm die Tür. Anne erwartete ihn bereits
sehnsüchtig. Er setzte sich zu ihr aufs Sofa.
    »Heute erzähle ich dir die Geschichte von dem Klabautermann,
der sein Schiff verließ. Die kennst du doch noch nicht, oder?«
    Die Kleine schüttelte
ihren Kopf. Ihr erwartungsvoller Blick hing an seinen Lippen, als er Luft holte
und zu erzählen begann: »In einem Hafen lag ein Schiff. Am Abend stand ein
Matrose an Deck und dachte an seine Familie, die er bald sehen sollte, denn

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