Nordmord
überraschte sie die Äußerung des Kommissars.
»Gibt es Beweise für seine Unschuld?«
Er nickte. Über die
genauen Umstände dürfe er selbstverständlich keine Auskünfte geben. Er dachte
an den heimlichen DNA-Test.
Das Telefon klingelte und er fuhr erschrocken zusammen. Er
hatte schreckliche Angst, seiner Tochter könnte etwas zugestoßen sein.
»Nein, Herr Bendixen, wegen der Wohnung habe ich mich noch
nicht entschieden. Bitte?«
Er lauschte den Worten des Anrufers. Ein Lächeln huschte
plötzlich über sein Gesicht.
»Ich komme gleich!«
Als er in die Straße ins Wohngebiet einbog, sah
er Herrn Bendixen bereits winken. Anne stand neben ihm, er hielt sie an der
Hand. Ihre Augen leuchteten begeistert.
»Papa!«, rief sie aufgeregt, als er aus dem Wagen stieg. »Die
Wohnung nehmen wir, oder?«
Er schloss sie fest in seine Arme. Am liebsten hätte er sie
angebrüllt, herausgeschrien, was er sich für Sorgen gemacht hatte. Doch als er
in ihre unschuldig blickenden Augen schaute, war seine Wut über ihr heimliches
Verschwinden wie weggeblasen. Er nickte.
»Wenn dir die Wohnung
gefällt, nehmen wir sie.«
Nachdem er Anne bei der Oma abgesetzt hatte,
kehrte er aufs Revier zurück. Tom und Marlene saßen immer noch in seinem Büro.
Ein Kollege hatte ihnen einen Kaffee gebracht.
Er entschuldigte sich flüchtig, setzte sich zu ihnen.
»Sie sprachen vorhin von weiteren Hinweisen?«
Marlene holte aus ihrer Handtasche die Diskette und reichte
sie ihm. Er lud die Daten auf seinen Computer und öffnete die Dateien.
»Sieht nach etwas Medizinischem aus.«
Sie nickten.
»Das Erste könnte vielleicht eine Patientenliste oder etwas
Ähnliches sein.«
Dirk Thamsen betrachtete die Namen auf dem Bildschirm.
Plötzlich kam ihm eine Idee. Er gab als Suchbegriffe die Namen Carsten Schmidt,
Mona Hansen und Marten Feddersen ein. Mehrere Male zeigte das Programm die
einzelnen Namen an, aber nie in der passenden Kombination. Er griff nach Heikes
Kalender und tippte nun Ion Boret, Marianna Costantinov und Serghei Oprea ein.
Doch auch hier gab es in dem gesamten Dokument keine Übereinstimmung. Die
Zahlen und Buchstaben neben den einzelnen Namen bereiteten ihm weiteres
Kopfzerbrechen.
»Ich werde die Dateien nach Kiel senden. Die Kollegen dort
können bestimmt etwas damit anfangen.«
Er rechnete allerdings nicht vor dem nächsten Tag mit einem
Ergebnis und versprach, sich zu melden, sobald es Neuigkeiten gab.
Tom und Marlene verließen die
Polizeidienststelle. Es wurde bereits dunkel.
»Möchtest du etwas essen gehen?«
Sie wollte allerdings lieber zu Haie fahren. Immerhin wusste
er noch nichts von den Dateien. Außerdem war es ihr merkwürdig vorgekommen,
dass er heute früher Feierabend gemacht hatte, sie ihn jedoch zu Hause nicht
hatte erreichen können.
Tom fuhr die Dorfstraße entlang und stoppte vor dem kleinen
Reetdachhaus. Haies Fahrrad lehnte an der Hauswand, im Wohnzimmer brannte
Licht. Die Haustür war wie gewöhnlich nicht abgeschlossen.
Haie telefonierte gerade. Sie hörten seine erregte Stimme:
»Aber ob Lisa Martens bei Ihnen als Patientin liegt, werden
Sie mir ja wohl sagen dürfen!«
Nach einer kurzen Pause
bedankte er sich und legte auf. Tom und Marlene warteten in der Küche auf ihn.
»Wer ist Lisa Martens? Ist was passiert?«
Er erzählte von seinem Besuch bei der Familie Martens und
dass er so ein ungutes Gefühl habe.
»Da stimmt was nicht. Wieso ist Lisa in keines der
Krankenhäuser eingeliefert worden?«
Nach dem Besuch bei Mira war er nach Hause gefahren und hatte
sich von der Auskunft die Telefonnummern der Krankenhäuser geben lassen, welche
in Schleswig-Holstein und Hamburg Nierentransplantationen durchführten.
Er hatte angegeben, ein Verwandter des Mädchens zu sein, und
jeweils nach der Zimmernummer gefragt, aber in keiner der Kliniken lag eine
Lisa Martens.
»Das ist doch merkwürdig. So ein Kind kann ja wohl nicht
einfach verschwinden!«
Das sahen Marlene und Tom genauso. Es war sowieso
erstaunlich, dass sich anscheinend im Handumdrehen ein passender Spender
gefunden hatte. Normalerweise dauerte es Jahre, bis sich ein geeignetes
Transplantat fand. Die Wartelisten waren lang, viele Menschen benötigten ein
Spenderorgan.
Wie ein Blitz fuhr der Gedanke durch Marlenes Kopf.
»Vielleicht ist das ja eine Spenderliste!«
32
Die Tageszeitungen am nächsten Tag waren voll
mit Berichten über den Mordfall an Heike. Im
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