Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
öffnen. Täll ließ den Motor an und fuhr vom Gehweg hinunter. Kurz darauf waren sie von Wald umgeben.
»Man braucht ungefähr zwanzig Minuten dorthin, schätze ich«, erklärte Täll.
Auf dem Weg nach Malmö erzählten sie ihm von den Morden in Kalbjerga, von den Ereignissen, die ihnen vorausgegangen waren, und was sie über Katja Nyberg wussten. Täll schien sich im nördlichen Gotland auszukennen.
»Als ich klein war, sind wir im Sommer nach Ihreviken gefahren«, erklärte er. »Wir haben dort ein Haus gemietet. Bestimmt sieben Mal.«
Er sah Sara an und warf dann schnell einen Blick zu Fredrik nach hinten. »Sie sind aber keine richtigen Gotländer, oder?«
»Nein«, bestätigte Sara, »wir stammen beide aus Stockholm.«
»Die anderen wollen die Insel nicht verlassen. Deshalb haben sie uns geschickt«, sagte Fredrik.
Im Rückspiegel sah er Täll grinsen.
Sie näherten sich Malmö und fuhren in Rosengård unter dem Einkaufszentrum hindurch, das wie eine Brücke über der Straße lag.
»Was wissen Sie über diese Sonja Krstic oder wie man das ausspricht?« Håkan Täll sprach den Nachnamen mit einem »k« am Ende aus.
Fredrik nahm an, dass es eher ein »tsch« sein müsste, sagte aber nichts.
»Vor neunzehn Jahren ist sie aus Jugoslawien hierhergekommen«, erzählte Sara. »Sie arbeitet in einem Reisebüro und vermietet seit letztem Sommer ein Zimmer an Nyberg. Keine Einträge im Register.«
»Aber Nyberg hat welche?«
»Nein, sie auch nicht.«
Håkan Täll bremste und fuhr an den Straßenrand. »Hier ist es.« Spånehusvägen 41 war ein dreistöckiges Haus aus gelbbraunem Backstein. Ihm gegenüber befand sich eine Schule. Die Häuser rechts und links waren im selben Stil errichtet. Einfache Mietshäuser aus den Dreißigern und einige aus den Zehner- oder Zwanzigerjahren.
Sie wurden erwartet. Sonja Krstic war schnell an der Tür und öffnete ihnen. Sie sah sie mit freundlichen dunklen Augen an und reichte ihnen die Hand.
»Hallo, ich bin Sonja.«
»Fredrik.«
In der Wohnung roch es nach Rosen. Håkan Täll streifte blaue Füßlinge und ein Paar Schutzhandschuhe über.
»Håkan wird sich Katjas Zimmer ansehen, dann können wir uns so lange unterhalten«, erklärte Fredrik.
»Wie Sie möchten«, erwiderte Sonja in perfektem Schwedisch. »Katjas Zimmer ist da drüben.«
Sie zeigte ihnen eine Tür aus braunem Furnierholz, die von den Malmöer Kollegen schon am Morgen versiegelt worden war. Vorsichtig brach Håkan das Siegel, ohne den Türrahmen zu zerkratzen, und drückte die schwarze Bakelitklinke hinunter.
»Wollen Sie sich kurz umsehen, bevor ich anfange?«
»Klar«, sagte Sara, »falls Sie viel durcheinanderbringen.«
Täll machte einen Schritt zur Seite, und die beiden betraten den spärlich möblierten Raum. Ein Bett mit einer geblümten Tagesdecke, ein weißes Nachtkästchen und ein kleiner Schreibtisch mit einem Laptop. Rechts hinter der Tür stand ein großer weißer Sessel, den Katja offenbar als Kleiderständer verwendete. Haufenweise Kleidungsstücke lagen darauf. Viele grüne, schwarze und gestreifte Sachen. Die Möbel schienen ausnahmslos von Ikea zu stammen.
»Gehört das Mobiliar Ihnen?«, fragte Sara.
»Ja«, rief Sonja aus dem Flur, »bis auf die Deckenleuchte. Die hat Katja selbst gekauft.«
Sara schaltete das Licht ein, und Fredrik hob den Blick. Die Lampe war fünfarmig, und die Schirme hatten die Form von schlichten Blüten.
Das Zimmer bedrückte Fredrik. Nur zwölf Quadratmeter und die ausrangierten Möbel eines anderen Menschen. Wer wohnte hier? Was war schiefgegangen? Wie war Katja Nyberg so unfähig geworden, Enttäuschungen zu verkraften, dass sie töten musste? Gab es überhaupt eine Erklärung, oder mangelte es unglücklicherweise in ihrem Gehirn an irgendeinem Botenstoff mit albernem Namen?
Die meisten deprimierten und verbitterten Menschen töteten nicht. Vielleicht sich selbst, aber nicht andere. Warum hatte ausgerechnet Katja Nyberg diese Grenze überschritten?
»Das musst du dir ansehen.«
Sara riss Fredrik aus seinen Gedanken. Sie stand am Schreibtisch und zeigte auf eine weiße Karte, die neben einigen gelben Post-it-Zetteln an der Wand hing.
Fredrik kam zu ihr. Es war eine Karte aus dem Hotel St. Petri in Kopenhagen. Links unten stand in blauer Schrift der Name des Hotels. In die Mitte war mit Bleistift eine Botschaft geschrieben. Er musste sich nach vorn beugen, um sie zu entziffern: »Sehen wir uns heute Abend?« Die kurze Nachricht war mit »H«
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