Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
Hüften.
»Ich hab dir von ihr erzählt.«
»Aha. Wie heißt sie?«
»Stina Hansson. Es ist lange her, aber ich habe sie mal erwähnt.«
Malin hatte noch nie von ihr gehört, konnte sich Namen allerdings noch nie gut merken. Vielleicht hatte sie ihn wieder vergessen.
»Und ihr wart in Stockholm ein Paar?«
»Ja. Als ich auf der Fotoschule war. Wir haben uns über gemeinsame Bekannte aus Gotland kennengelernt. Ich kannte sie zwar bereits vom Sehen, aber wir hatten hier nie etwas miteinander zu tun. Das Ganze hat noch nicht einmal ein Jahr lang gehalten. Wir haben Schluss gemacht, oder besser gesagt, ich habe Schluss gemacht. Es war ziemlich anstrengend, weil sie nicht loslassen wollte. Sie hat immer wieder angerufen und so. Aber dann ist sie plötzlich wieder nach Fårösund gezogen und … tja … seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Sie hat wohl das Studium abgebrochen. Das wurde jedenfalls behauptet.«
»Was meinst du damit? Denkst du etwa, diese Stina hat unsere Tochter entführt und unsere Familienfotos durchbohrt, weil du sie vor … sagen wir, ungefähr fünfzehn Jahren verlassen hast?«
Henrik sah Malin bestürzt an. Seine Hand zitterte, als er sich damit durch die Haare fuhr.
»Mein Gott, ich denke gar nichts. Du bist diejenige, die glaubt, vor der Schule von einer fremden Frau angestarrt worden zu sein. Wahrscheinlich war sie es gar nicht. Ich habe nur gesagt, dass ich an sie denken musste, als du sie beschrieben hast.«
Malins Gedanken rasten. Im einen Augenblick hatte sie das Gefühl, einem entscheidenden Hinweis auf der Spur zu sein, im nächsten erschien ihr das wie eine paranoide Wahnvorstellung. Nichts, was mit der Wirklichkeit zu tun hatte.
»Aber du weißt, dass sie noch in Fårösund wohnt?«, fragte sie.
»Ja.«
»Hast du sie getroffen?«
»Ich bin ihr einige Male zufällig begegnet.«
»Einige Male …«
Malin verstummte und sah ihn an. Sie fror und fühlte sich seltsam. »Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Gesagt? Ich habe sie ein paarmal in Fårösund gesehen. Was hätte ich denn sagen sollen?«
Henriks Stimme bekam einen zornigen Unterton, und er zog eine Augenbraue in die Höhe, als hätte sie etwas Dummes gesagt. Malin fand, dass er wie ein Lügner aussah.
»Wo denn dort?«
»Im Ica-Supermarkt.«
»Nur dort?«
»Einmal habe ich sie in der Stadt gesehen, aber nur von Weitem, und sie hat mich nicht bemerkt. Zählt das?«
Da war wieder diese ironische Miene, als wollte er sagen, Malin habe etwas falsch gemacht. Sie hätte sich darüber aufregen sollen, wurde aber stattdessen traurig. Er konnte sich daran erinnern, sie auch in der Stadt gesehen zu haben, obwohl sie sich da nicht einmal begrüßt hatten. Ziemlich schnell war ihm das wieder eingefallen. Es hatte fast den Anschein, als hätte er ihre Begegnungen gezählt.
»Ich kapiere einfach nicht, warum du mir nichts davon erzählt hast«, sagte sie müde.
»Wir waren ja nicht zusammen Kaffee trinken. Ich habe sie bei Ica getroffen und mich kurz mit ihr unterhalten.«
»Worüber denn?«
Bevor Henrik die Frage beantwortete, seufzte er theatralisch. »Was machst du so? Verheiratet, zwei Kinder, bla, bla. Du weißt schon. Solches Zeug.«
»Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder?«
»Nein, ich.«
Er lächelte zaghaft. Aber für diese Art von billigem Charme war es jetzt zu spät.
»Und sie nicht?«
»Nein, sie ist nicht verheiratet.«
»Kein Mann, keine Kinder?«
»Nein.«
»Scheiße.«
»Wieso das?«
Malin versuchte, ihn aus großer Distanz und von einem überlegenen Standpunkt aus anzusehen, war sich aber nicht sicher, ob ihr das gelang.
»War es schön mit Stina?«
»Was?«
Henrik setzte eine erstaunte und beleidigte Miene auf.
»Ja. War es schön mit ihr? Hast du gern mit ihr geschlafen?«
»Was redest du denn da für einen Mist?«
»Es ist doch nicht verwunderlich, dass ich mich frage, was sie dir bedeutet hat.«
Malin hoffte, ihr Tonfall würde sachlich und ein wenig kühl klingen, aber zu ihrer Enttäuschung hörte sie bei den letzten Silben ein Zittern in ihrer Stimme.
»Malin, das ist fünfzehn Jahre her. Wir waren nicht mal ein Jahr zusammen. Ich habe Schluss gemacht. Ich kann mich kaum daran erinnern.«
Er ging langsam zum Tisch hinüber, setzte sich ans Kopfende und verschränkte die Arme. »Das ist doch lächerlich.«
Malin gab keine Antwort.
»Entschuldige, aber es ist so.«
War es lächerlich? War sie lächerlich? Sie versuchte sich zu erinnern, wie das Gespräch an
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