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Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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… Malin starrte auf die Kontaktabzüge und fühlte sich mit einem Mal vollkommen matt.
    »Maria.«
    Sie war selbst überrascht vom merkwürdigen Klang ihrer Stimme.
    Maria beugte sich über den Ordner.
    »Aber … was ist denn das? Ist sie das?«
    »Ja.«
    »Ach, du Scheiße!« Maria konnte den Blick nicht von dem aufgeschlagenen Ordner abwenden.
    Malin räusperte sich.
    »Das ist harter Tobak«, sagte Maria.
    Es war Stina Hansson. Ein ganzer Kontaktbogen mit Stina Hansson. In der obersten Reihe saß sie in einem offenen Wagen, einer Art Jeep. Sie hatte ihr T-Shirt bis knapp unters Kinn hochgezogen und hielt ihre verdammt gut aussehenden, perfekten Brüste in die Kamera.
    Malin sah ihre Schwester an. Maria zuckte mit den Schultern und grinste schief.
    Die restlichen Bilder waren in Innenräumen aufgenommen worden, vermutlich bei Stina Hansson zu Hause. Die Möbel hatte Malin noch nie gesehen. Auf allen Fotos war Stina in unterschiedlichen Graden von Nacktheit zu sehen. Sie saß mit nacktem Oberkörper auf einem Sofa und posierte mit geradem Rücken und geschlossenen Beinen im Stil der Fünfzigerjahre. Auf einem anderen lag sie splitternackt auf einem flauschigen Lammfell in einer etwas gewagteren Pose. Auf den letzten Bildern hatte sie sich rücklings auf dem Boden ausgestreckt. Ein Streifen Sonnenlicht zeichnete eine Diagonale über ihren Körper. Die rechte Hand lag auf ihrem Bauch, und die Fingerspitzen berührten ihr Schamhaar.
    Die Fotos wirkten nicht direkt pornografisch, dafür waren sie zu brav, aber sie brachten einen Drang in diese Richtung zum Ausdruck, und zwar den Drang des Fotografen, während das Modell sich zaghaft zierte.
    Malin legte den Ordner beiseite und sank hintüber, ihr war schwindlig und übel. Im Augenwinkel sah sie, wie Maria weiterblätterte.
    »Nicht schlecht.«
    Malin antwortete nicht.
    »Also«, murmelte Maria, »was soll man dazu sagen?«
    Malin starrte den offenen Schrank an, aber sie sah nur Stinas Brüste. Und diese Geste, diese entblößende Handbewegung, die Arme, die den Entschluss gefasst zu haben schienen, vor der Kamera das T-Shirt hochzuziehen.
    Es war fünfzehn Jahre her. Drei Jahre bevor sie selbst in Henriks Leben aufgetaucht war. Henrik war Fotograf. Er fotografierte Frauen. Das war ein Teil seiner Arbeit. Aber das hier war keine Arbeit. Sie dachte an das Bild aus Gotlands Allehanda , das unten im Arbeitszimmer an der Wand hing. Henriks Hand auf diesem klapperdürren Fotomodell, das seine Brüste hinter einem kraftlosen Ärmchen verbarg. Das praktisch nicht vorhandene Unterhöschen.
    »Hat er … Hat er von dir auch solche Fotos gemacht?«, fragte Maria.
    Malin schüttelte den Kopf.
    »Sicher?«
    »Ja, was glaubst du denn?«, zischte Malin.
    »Entschuldige. Man darf doch wohl noch fragen.«
    Malin wünschte sich gar nicht, dass Henrik sie gebeten hätte, sie so fotografieren zu dürfen. Wirklich nicht. Trotzdem war sie plötzlich dermaßen eifersüchtig, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Sie wünschte, sie hätte diese Bilder nie gesehen. Verdammt. Sie hatte doch gewusst, dass sie es bereuen würde. Sie hätte auf Maria hören sollen. Sie hatte Angst vor Stina Hanssons liebevollem Lächeln gehabt. Nun hatten sich ihr stattdessen Stinas perfekte Brüste in die Netzhaut gebrannt.

36
     
    Fredrik hatte ein Singen im Kopf, anders konnte er es nicht beschreiben. Es war weder ein Ton noch eine Stimme. Trotzdem empfand er es als Gesang.
    Es war halb acht am Abend, und er stand zwischen den Obstbäumen hinter dem Haus. Manchmal landete er dort. Dann stand er einfach nur da, betrachtete die verwachsenen Kronen und überlegte, Ast für Ast und Zweig für Zweig, wo sie beschnitten werden müssten, griff aber selten zur Säge. Es war eher eine Art von Meditation, eine Zerstreuung für die Sinne.
    In seinem Kopf erklang ein Singen. Zuerst hatte ihn das erschreckt, aber er hatte sich rasch beruhigt und sich gesagt, dass das, was er da im Kopf hatte, nichts mit seinem Kopf zu tun hatte. Während seiner Krankschreibung hatte er eine ganze Reihe von seltsamen Phänomenen erlebt. Mehrere Monate nach dem Unfall hatte seine Umgebung zu schaukeln begonnen, und die Bilder auf seiner Netzhaut sahen plötzlich wie in einem Zerrspiegel aus.
    Er war sofort zur Notaufnahme gefahren und hatte gedacht, nun wäre alles aus. Der Arzt hatte ihm jedoch erklärt, dass nur sein Gehirn dahinterstecke, das wieder seine ursprüngliche Form annehme. Ist das Gehirn eine Zeit lang starkem Druck

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