Normal: Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen (German Edition)
sagen.
Zerschlagung der Marketingmaschine
Die Psychopharmakaindustrie gedieh und florierte dank aggressiver Streuung von Fehlinformationen. Finanzielle Mittel, politische Schlagkraft, Marketinggenie und Gier nach neuen Märkten und immer größeren Renditen besitzen die Pharmaunternehmen in nahezu unbegrenztem Ausmaß. 8 Dies alles könnte sich im Handumdrehen ändern, wenn die Politik den Willen dazu hätte: Die folgenden Maßnahmen wären allesamt nicht schwer durchzusetzen und könnten den übermäßigen Konsum von Psychopharmaka eindämmen.
Tabelle 2: 14 Maßnahmen zur Zähmung von Pharmariesen
Weltweit keine direkte oder indirekte Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente im Fernsehen, in Zeitschriften, im Internet.
Keine von Pharmaunternehmen bezahlten Vergnügungsreisen, Abendessen, Werbegeschenke, fortlaufenden medizinischen Fortbildungen für Ärzte und Medizinstudenten. 9
Keine finanzielle Unterstützung für Berufsverbände.
Keine Besuche von Pharmareferenten in Arztpraxen.
Keine Verteilung kostenloser Ärztemuster. 10
Keine zulassungsüberschreitenden Anwendungen. 11
Keine Vereinnahmung medizinischer Experten, die im Dienst der Industrie stehen. 12
Keine Zuwendungen von Pharmaunternehmen an staatliche Organisationen.
Höhere zivil- und strafrechtliche Strafen für gesetzwidrige Handlungen, nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch gegen deren Manager. 13
Verkürzung der Patentlaufzeiten für Unternehmen, die gegen Gesetze verstoßen.
Keine finanzielle Unterstützung für Lobbyvereinigungen. 14
Keine PR-Kampagnen (»Disease-Awareness-Kampagnen«) zur Vorbereitung der Markteinführung neuer Medikamente. 15
Keine unbegrenzten und ungenannten Spenden an Parteien und/oder Politiker.
Dreijährige Karenzzeit für Politiker, Angestellte, Bürokraten u. a., die an der Festlegung oder Überwachung von Vorschriften für die Pharmaindustrie beteiligt waren und den Wechsel in ein Pharmaunternehmen in Erwägung ziehen.
Wir können nicht erwarten, dass die Pharmaunternehmen ein Einsehen haben und sich aus eigenem Antrieb reformieren. Solange die Renditen fließen und die Aktionäre zufrieden sind, besteht ja kein Grund, am Bestehenden irgendetwas zu ändern. Grundsätzlich verfolgt jedes Unternehmen den Zweck, so viel Geld wie möglich zu machen, und das Allgemeinwohl steht auf der Prioritätenliste der Pharmaunternehmen sehr weit unten, auch wenn immer wieder gern das Gegenteil behauptet wird. Die Öffentlichkeit muss vor den irreführenden Informationen und dem Preismonopol der Pharmabranche geschützt werden. Aber solange die Strafen für Verstöße nicht höher sind als die Gewinne – und für Manager keine Gefahr besteht, ins Gefängnis zu wandern –, reichen Gesetze allein nicht aus, um die Gier zu bremsen. Die Pharmabranche wird so viel und so lange Vermögen an sich raffen, bis sie durch externe Maßnahmen daran gehindert wird. Andere Länder sind auf diesem Gebiet schon weiter als die USA , was daran liegen mag, dass sich in den meisten anderen Demokratien Geld nicht so leicht in politische Macht umsetzen lässt. Unsere größte Hoffnung ist der wachsende Zorn der Öffentlichkeit über die halsabschneiderischen Praktiken der Pharmaindustrie, denn, wie Abraham Lincoln so schön sagte: »Man kann ein ganzes Volk eine Zeit lang hereinlegen, man kann Teile eines Volkes dauernd hereinlegen, aber das ganze Volk ununterbrochen hereinlegen kann man nicht.«
Verkaufskontrolle nach dem Vorbild von MasterCard
Diagnostische Inflation und Polymedikation gehen Hand in Hand und können eine tödliche Kombination sein. Wirklich bemerkenswert, dass gegen diese nahezu vollständig vermeidbare Todesursache bzw. Ursache von Behinderung und Arbeitsunfähigkeit so wenig getan wird – zumal es technisch ganz leicht zu bewerkstelligen wäre.
Immer wenn mit Ihrer Kreditkarte eine verdächtige Abbuchung getätigt wird, wird Ihre Karte sofort vorübergehend gesperrt, bis die Abbuchung von Ihnen bestätigt ist. Dieses mitunter ärgerlich effiziente System setzt ein, wenn Sie zum Beispiel Ihre Kreditkarte im Ausland benutzen wollen, ohne MasterCard zuvor darüber informiert zu haben. Warum richten wir nicht ein ähnlich effizientes und vorausschauendes, in Echtzeit arbeitendes Warnsystem ein, das uns hilft, die wuchernde Verschreibungs- und Verkaufspraxis bei psychotropen und schmerzlindernden Medikamenten zu kontrollieren? Wie kann es sein, dass wir technisch in der Lage sind, einen Betrug im Wert von 100
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