Nosferas
schwierig, aber wenn wir unsere Kräfte zusammenschließen, dann könnte es klappen. Wir müssen ihnen eingeben, dass es keinen Grund gibt, nach uns Ausschau zu halten und uns den Weg zu versperren. Und dann sollten wir uns schleunigst aus dem Staub machen. Ich vermute, mehr als ein paar Augenblicke können wir die Täuschung nicht aufrechterhalten. Aber das dürfte genügen.«
Karl Philipp schlug seinem Vetter anerkennend auf die Schulter. »Nicht schlecht. Du erstaunst mich immer wieder. Lasst uns anfangen!«
Anna Christina sah zwar noch immer ein wenig skeptisch drein, doch sie reichte ihren Vettern die Hände. So traten sie vor die Kirche und sandten ihre beruhigenden Gedanken und Gefühle über das Trümmerfeld. Dann liefen sie los. Franz Leopold übernahm schon bald die Führung. Sie hasteten den Hügel hinauf, rannten über den Platz mit der Reiterstatue und dann die lang gezogene Prachttreppe hinunter. Erst als der Palazzo Venezia ihnen Deckung gab, hielten sie an. Ganz still blieben sie stehen und tasteten mit ihrem Bewusstsein nach Verfolgern, die nach ihnen suchten, konnten aber nichts entdecken.
»Los, weiter«, drängte Franz Leopold.
»Und wohin?«, wollte Anna Christina wissen. »Kennst du dich hier aus? Ich habe keine Ahnung, wo diese Engelsburg liegt.«
»Sicher weiß hier jeder, wo die Burg ist. Wir könnten die Damen dort drüben fragen«, schlug Karl Philipp vor und zwinkerte in die Richtung zweier freizügig gekleideter Frauen, die ganz sicher nicht zu den Damen der römischen Gesellschaft gehörten.
»Kommt nicht infrage«, wehrte Franz Leopold ab und griff vorsorglich nach seinem Arm. »Du hattest für heute schon genug Damengesellschaft. Wir werden die Burg auch so finden.« Er zog ein Blatt Papier hervor. Der Bogen war alt und etwas vergilbt und offensichtlich aus einem Buch herausgerissen. Er zeigte Rom mit dem Tiber, der die Stadt wie eine sich windende Schlange in zwei Hälften schnitt. Sie erkannten das Kolosseum, das Oval des Circus Maximus und den Kapitolhügel.
»Hier sind wir jetzt.« Franz Leopolds Finger glitt zu dem blauen Band und fuhr dann ein Stück an ihm entlang. »Dort ist der Petersdom und das hier direkt am Tiberufer ist die Engelsburg.«
Anna Christina beugte sich vor. »Na, wenigstens scheint es da eine Brücke zu geben.«
Franz Leopold nickte und steckte die Karte wieder ein. Nachdem er sich die Lage der Gassen einmal eingeprägt hatte, stellte es für ihn keine Schwierigkeit mehr dar, den Weg zu finden.
Sie mieden die belebten Straßen, auf denen prächtige Privatkutschen rollten oder Droschken die späten Nachtschwärmer aufnahmen, um sie nach Hause zu bringen. Viele hatten sich berauscht und waren mit unsicheren Schritten unterwegs. Ab und zu wehte Gesang zu den jungen Vampiren herüber. Franz Leopold eilte durch enge, schmutzige Gässchen zum Tiber hinunter und folgte dann dem schlammigen Uferstreifen. Zuerst sahen sie die Kuppel des Petersdoms auf der anderen Seite aufragen. Dort also war der Papst zu finden. Der Fluss schien direkt auf die wichtigste Kirche der Christen zuzuführen, wand sich dann jedoch in einer scharfen Biegung nach Osten.
Franz Leopold blieb für einen Moment stehen. »Da, seht. Das ist unser Ziel.« Trutzig, ja ein wenig abweisend erhob sich die Festung am Nordufer des Flusses, Felsblöcke und Mauerziegel fest miteinander verschmolzen. Das Castello de Sant Angelo wirkte mehr wie ein riesiger, runder Turm, denn wie die Burgen, die die Wiener Vampire kannten. Ganz oben auf der Spitze sahen sie den bronzenen Engel mit seinem Schwert.
Luciano stieg in den dunklen Gang. Die beiden Mädchen und der Wolf folgten ihm. Hier unten war es so finster, dass sie nur vage die Umrisse und Bewegungen der anderen erkennen konnten. Sie tasteten sich am Rand des dahinströmenden schmutzigen Wassers entlang. So gut die Vampire selbst in wolkenverhangenen Nächten draußen sahen, in dieser Finsternis taugten auch ihre Augen nicht viel. Hier unten hätte man sich schon einer Fledermaus mit ihren hellen Rufen bedienen müssen, um Einzelheiten ausmachen zu können.
Lucianos Stimme klang dumpf und vermischte sich mit dem Rauschen des Wassers, als er ihnen voranging und über die Cloaca Maxima erzählte. Er schritt voran, ohne einmal zu zögern, was sie vermuten ließ, dass dies nicht das erste Mal war, dass Luciano sich hier herunterwagte.
»Man sagt, dieses Kanalsystem stamme von den Etruskern oder die Römer hätten die Kunst der Entwässerung von
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