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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Nur weil sich jemand vielleicht ein Kleidungsstück aus dem gleichen Stoff zerrissen hat?«
    Alisa zögerte. »Nein, nicht deshalb. Du wirst jetzt vielleicht lachen, aber ich muss immer wieder an diese Maske denken, seit du sie mir gezeigt hast. Sie kommt mir nicht vor wie eine Verkleidung, die man sich für einen Maskenball machen lässt.« Und was hat eine Nonne mit rotem Samt zu schaffen?, fügte sie in Gedanken hinzu. Hilflos hob sie die Schultern. »Es ist nur ein seltsames Gefühl.«
    »Geheimbünde und Verschwörungen«, sagte Malcolm.
    »Du machst dich über mich lustig«, seufzte sie.
    »Nein, ich frage mich nur, was ich glauben soll und was nicht.«
    Professor Ruguccio führte sie um eine Mauer herum, die an die Stadtmauer anschloss, jedoch viel niedriger war. Vor einem Gittertor blieb er stehen und setzte ihrer Unterhaltung damit ein Ende.
    »Hinter der Mauer liegt der ›nicht katholische Friedhof der Fremden‹. Viele Romreisende sind hier begraben, so auch der Sohn des berühmten Dichters Goethe oder die englischen Dichter Keats und Shelley. Wir werden uns die Gräber ansehen.« Er führte sie zwischen den Grabsteinen und Monumenten, die ganz unterschiedlichen Alters waren, den schnurgeraden Weg hinauf, der von alten Zypressen gesäumt war.
    »Shelley?«, fragte Ivy. »Der Shelley, dessen Frau Mary den Frankenstein oder Der moderne Prometheus geschrieben hat? Ich habe es gelesen und es hat mich tief beeindruckt.«
    »Ja, das ist richtig. Er ist jung gestorben. Ertrunken, bei einem Segelausflug. Sagt man zumindest.«
    Plötzlich blieb der Professor stehen. Seine dröhnende Stimme und das Quietschen seiner Schuhe verstummten. »Enrica, es gibt Besucher«, raunte er der Vampirin zu. »Würdet Ihr bitte nachsehen, was das zu bedeuten hat?« Die für eine Nosferas geradezu magere Frau nickte kurz, dass ihr grauer Dutt ein wenig ins Wanken geriet, dann huschte sie davon.
    »Bleibt hinter den Büschen und Grabsteinen verborgen«, wies der Professor sie an. Alisa ließ sich hinter ein mächtiges Grabkreuz fallen und kroch dann im Schatten eines Busches zum nächsten Stein, den ein Engel mit ausgebreiteten Armen krönte.
    »Was hast du vor?«, murmelte Ivy, die dicht hinter ihr geblieben war. Alisa zuckte zusammen. Ihre Freundin bewegte sich nicht nur absolut lautlos, sie verstand es auch, ihre Aura zu verbergen.
    »Ich bin einfach nur neugierig«, hauchte Alisa und kroch weiter. Sie hörte Stimmen und kauerte sich hinter einen breiten Steinblock. Als sie sich ein wenig reckte und zwischen dem Sims und einem Lorbeerbusch hindurchspähte, entdeckte sie einen Mann. Der Unbekannte hockte im Schneidersitz auf einem flachen Steinblock vor einem Grab, eine Öllampe neben sich. Er hatte etwas auf dem Schoß und beugte sich immer wieder herab. Was machte er da? Alisa sah Ivy fragend an.
    Das irische Mädchen kniff die Augen zusammen. »Er schreibt etwas.«
    Nun konnte Alisa die Feder in seiner Hand erkennen und nickte. Der Mann wirkte noch recht jung, sein Haar fiel ihm in leichten Wellen in den Nacken und er trug einen Abendanzug.
    »Oscar? Wo sind Sie? Ich habe es satt, hier nachts auf einem Friedhof herumzustehen. Was tun Sie in Gottes Namen?«
    Drei weitere Gestalten kamen den Weg herunter und blieben bei dem schreibenden Mann stehen. Die mittlere war eine elegant gekleidete Frau, die sich bei den beiden Männern untergehakt hatte. Der Mann zu ihrer Linken beugte sich vor, um die Inschrift zu entziffern.
    »Shelley? Doch nicht etwa der Shelley? Der diese gruseligen Geschichten geschrieben hat und mit Mary Wollstonecraft verheiratet war?« Er streckte seine Hände wie Klauen nach dem Hals der Dame aus. »Florence, nehmen Sie sich in Acht, ich bin Frankenstein, das Monster, und ich bin gekommen, Ihnen Ihr Herz herauszureißen!«
    Die Frau kreischte und wich ein Stück zurück. »Mr Henry Irving! Sie mögen ja ein begnadeter Schauspieler sein, aber Ihre Manieren sind schauderhaft. Was fällt Ihnen ein, mich mit solch grausigen Dingen zu erschrecken!«
    »Das nennt man Weltliteratur!«
    »Und wenn Sie darauf verzichten würden, hier weiter herumzuschreien und mir die Konzentration zu rauben, dann würde auf diesem Stein vielleicht auch ein Stück Weltliteratur entstehen«, schimpfte der jüngere Mann mit der Feder in der Hand.
    »Aber ja!«, rief der Schauspieler theatralisch aus. »Aus unserem jungen Oscar Wilde wird bestimmt einmal ein berühmter Poet, und aus meinem Freund und Agenten Bram Stoker hier an meiner

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